Adams Erbe (German Edition)
Lederschwänzchen um sein Glas wickelte, begann er zu sprechen. Er hatte eine Adresse, und es war ziemlich wahrscheinlich, dass du, Anna, dich dort versteckt hieltest, ohne Stern. Er selbst konnte nicht hingehen, denn welcher Jude, welcher untergetauchte Jude, würde sich einem Sturmbannführer zu erkennen geben? In Krakau vertraute Bussler niemandem, deshalb sollte ich selbst hin.
»Natürlich, und zwar sofort«, sagte ich und sprang auf.
»Adam, beruhig dich, und hör mir zu.«
Bussler erläuterte mir seinen Plan. In deiner Straße, Anna, gab es einen Hutmacher. Während der Sturmbannführer Hüte anprobieren würde, sollte ich, der ortsunkundige Rosenzüchter, die Straße entlangschlendern und bei dir anklopfen.
»Wir wissen nicht, wer die Leute sind, bei denen sie lebt. Vielleicht ist es auch eine falsche Spur, vielleicht ist sie gar nicht dort. Du darfst auf keinen Fall deine Identität preisgeben.«
»Welche? Adams oder Antons?« Ich musste lachen.
»Keine von beiden«, sagte er ernst.
»Falls irgendwer deine Papiere kontrollieren sollte, sag, dass du dich verlaufen hast und dass du das Hutgeschäft suchst, in dem ich auf dich warte. Traue niemandem, hörst du.«
»Was soll ich machen, wenn sie da ist?«
»Dann werden wir weitersehen, nimm sie auf keinen Fall sofort mit.«
Busslers Fahrer brachte uns zu dem Hutmacher. Wir stiegen aus, und der Sturmbannführer schickte seinen Chauffeur zu einem Tabakladen am anderen Ende der Stadt.
»Fahren Sie danach gleich nach Hause. Wir nehmen ein Taxi«, sagte er.
»Warum schicken Sie ihn weg?«, fragte ich, als das Auto davonfuhr.
»Damit er dich nicht beobachten kann.«
Wir standen noch einen Moment vor dem Schaufenster. Bussler legte mir seine halb tote, halb lebende Hand auf die Schulter. »Wenn du in einer halben Stunde nicht zurück bist, komme ich dich holen«, flüsterte er mir zu.
Ich nickte, und dann spielten wir kurz Theater für ein nicht wirklich existierendes Publikum.
»Gehen Sie ruhig rein, Herr Sturmbannführer, ich sehe mich ein bisschen um, ich kenne Krakau ja kaum. Ein bisschen die Beine vertreten.«
»Wie Sie meinen, Herr Richter, aber verlaufen Sie sich nicht.«
Unauffällig warfen wir beide einen Blick auf unsere Uhren, und dann trennten sich unsere Wege.
Das schrille Surren der Klingel ließ mich zusammenzucken. Wenig später stand ein Mann mit schwarzen Augenringen und zwei tiefen Falten auf der Stirn vor mir. Er sagte etwas auf Polnisch, was ich nicht verstand.
»Sprechen Sie Deutsch?«
»Ja«, antwortete er.
»Ich… Ich suche Anna Guzlowski.«
Sein Gesicht verriet rein nichts. »Wen?«
»Anna Guzlowski.«
»Kenne ich nicht.« Er blinzelte nicht, er ließ sich nichts anmerken, und trotzdem glaubte ich ihm nicht.
»Bitte, ich bin ein Freund aus Berlin.«
»Ich verstehe nicht, was Sie wollen?« Jetzt lächelte er freundlich.
»Sind Sie ganz sicher, dass Sie keine Anna kennen?«
»Ja«, sagte er und klang so ahnungslos, dass sich meine Zweifel fast verflüchtigten.
»Wenn Sie es sich anders überlegen, also falls Sie Anna doch kennen, dann sagen Sie ihr bitte, dass der Junge, der ihr hundert Träume geschenkt hat, hier ist.«
»Es tut mir leid, ich kenne keine Anna. Auf Wiedersehen«, sagte er.
»Auf Wiedersehen.«
Er schloss die Tür zu, und ich lief die Treppe hinunter, aber schon nach einigen Stufen blieb ich stehen. Vielleicht warst du ja doch da drinnen. Du würdest meine Botschaft hören und herauskommen, denn an deine Träume, Anna, an die musstest du dich doch erinnern.
Die Schwänzchen krochen über meine Schultern, und das eine, das lebende, zitterte. Ich fuhr herum, seine Augen weiteten sich und drängten mich zum Aufbruch. Draußen lieferten Bussler und Richter ihren imaginären Zuschauern eine zweite Vorstellung, die wesentlich mieser ausfiel als die Premiere vor dem Hutgeschäft.
»Da sind Sie ja, haben Sie sich etwa verlaufen?« Er sprach viel zu laut, der treue Maestro.
»Ja, verlaufen. Haben Sie einen Hut gefunden, Herr Sturmbannführer?«
»Leider nicht.«
Wir standen wie zwei Schmierenschauspieler vor dem Haus, in dem ich dich hatte finden wollen.
»Bussler, Sie schreien wie ein Irrer«, flüsterte ich ihm zu, »lassen Sie uns weitergehen.«
Wir nahmen ein Taxi und fuhren in die Sturmbannwohnung.
»Es tut mir leid, Adam. Wir werden weitersuchen«, sagte er, als wir in seiner Küche saßen. »Schau mal da unten in dem Schrank, da habe ich etwas, das uns jetzt guttun wird.«
Eine Flasche
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