Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Sie hatte Lare zu lange allein regiert, um sich von den Männern ausbooten zu lassen.
Nachdem zunächst niemand antwortete, räusperte sich endlich Gottschalk von Wisedendorf. Sein Haar wie auch sein voller Bart waren inzwischen fast weiß geworden, doch seine Augen versprühten noch immer Vitalität und der Charme, mit dem er ihr vor vielen Sommern erklärt hatte, er sei für seinen Freund um die lareschen Mauern geritten, war unverbraucht.
„Hohe Frau, seht den Tatsachen ins Auge. Der Salier hat ausgespielt, es wird Zeit für einen frischen Wind im deutschen Land! Er treibt sein Possenspiel mit dem Papst schon viel zu lange. Was soll uns dieser geheime Vertrag bringen, den er mit dem Oberpfaffen ausgeknobelt hat? Wem nützt es, wenn nur noch Paschalis als Papst über die Einsetzung der Bischöfe entscheidet? Und unsere Fürsten sollen im Gegenzug sämtliche kirchliche Lehen abgeben!“ Er lachte höhnisch auf und die anderen Männer murmelten beifällig.
„Die Sachsen haben junges Blut, das an die Spitze drängt. Die Fürsten wollen ihr Land selbst regieren und sich nicht von diesem habgierigen, unfähigen König sagen lassen, was sie zu tun haben.“
„Frisches Blut? Nennt mir Namen!“ Adelheid blieb skeptisch.
„Nun, ich denke an den Pfalzgrafen Friedrich von Sommerschenburg, Herzog Lothar von Supplinburg …“
„Lothar?“ Adelheid lachte unsicher. „Aber er ist Heinrich treu ergeben! Der Kaiser hat ihn doch zum Herzog von Sachsen berufen!“
„Nenn ihn nicht Kaiser!“, brauste Folkmar auf. „Wer den Papst gefangen nimmt, um sich die Krönung zu erzwingen, der ist für mich kein Kaiser, sondern ein Barbar!“
„Egal, ob Kaiser oder König“, beschwichtigte Gottschalk mit ruhiger Stimme, „er hat es sich inzwischen mit allen Fürsten im Lande verdorben. Hohe Frau, Ihr habt gewiss von Fürst Wiprecht von Groitzsch gehört, auch ein ehemals treuer Anhänger des Königs. Er führte die Unterhandlungen mit Heinrich IV. um die Reichskleinodien, kämpfte schon ihn Italien heldenhaft für seinen König. Nun wollte es das Schicksal, dass Wiprechts Sohn recht unglücklich in die Wirren um die böhmische Thronfolge verwickelt wurde, und der König ließ ihn daraufhin verhaften. Erst nachdem Wiprecht unverschämt hohes Lösegeld in Form von Besitztümern gezahlt hatte, konnte er seinen Sohn wieder in die Arme schließen.“
Gottschalk trank bedächtig einen Schluck aus dem Weinkelch, bevor er fortfuhr: „Fürst Wiprecht war über so viel Unverfrorenheit und Habgier natürlich erbost und wechselte das Lager. Mag sein, dass noch andere Dinge eine Rolle gespielt haben und die Geschichte um seinen Sohn lediglich das Fass zum Überlaufen brachte. Schließlich weiß jeder, dass Wiprecht ein Vertrauter Heinrichs IV. war. Jedenfalls überredete er Herzog Lothar, Markgraf Rudolf, unseren Pfalzgrafen und noch einige andere, dem Kaiser den Gehorsam zu versagen.“
„Und nun sitzen sie alle auf ihren Burgen und wetzen die Schwerter?“ Es war wohl nur eine rhetorische Frage, und sie bekam auch keine direkte Antwort.
„Wenn wir die Gunst der Stunde jetzt nicht nutzen“, Gottschalk rieb sich nachdenklich den Bart und sah Adelheid ernst an, „dann verstreicht die Möglichkeit, ihn zu besiegen. Worauf sollen wir noch warten?“
Adelheid war innerlich erschrocken, welche Ausmaße die Verschwörung bereits angenommen hatte. Dass selbst Lothar von Supplinburg vom Kaiser abgefallen war, hatte sie bisher nicht geahnt.
Lothar hatte vor nunmehr elf Sommern ihre Base Richenza von Northeim geheiratet, ein damals bereits aufgewecktes und intelligentes Mädchen, das seinem zwölf Jahre älteren Gemahl nicht nur Reichtum und Einfluss, sondern auch einen scharfen Verstand und ein klares Urteilsvermögen mit in die Ehe gebracht hatte. Man sagte von dem so unterschiedlichen Paar, sie sei der Kopf und er die Hand. Mit dem Tod seines Schwiegervaters, Heinrich dem Fetten, im Jahr nach der Hochzeit war Lothars Einflussbereich erheblich gewachsen und er fiel bald darauf dem König auf, der ihn 1106 zum Herzog von Sachsen bestellte. Inzwischen galt Lothar als der mächtigste Mann in Norddeutschland.
Fragend und ratlos blickte Adelheid zu Folkmar hinüber.
„Euer Gemahl wird hier auf Lare die Fäden in der Hand behalten“, beeilte sich Gottschalk zu versichern. Alle wussten, dass Folkmar große Probleme beim Reiten hatte, sein Bein versteifte sich von Jahr zu Jahr mehr. Er würde daher auf der Burg nützlicher sein als auf
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