Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Unterrichtsstunden. Besonders Beringar war so wissbegierig, dass sie selbst oft keine Auskunft mehr geben konnte. Vielleicht sollte sie sich dem Geistlichen anvertrauen. Als Folkmar ins Bett kam und sich fröstelnd an sie kuschelte, war sie wider Erwarten eingeschlafen.
In der übernächsten Nacht setzte sich ein Teil der Lareschen Truppen nach Norden in Bewegung, nachdem Pater Julius Waffen und Ritter gesegnet hatte und mit dem Tross gemeinsam für einen günstigen Ausgang der Schlacht gebetet hatte. Eine unruhige Stimmung lag über den Mauern, die Hundemeute kläffte im Zwinger, das Gesinde war trotz der späten Stunde noch auf den Beinen. Kettenhemden blitzten schwach im Mondschein, metallische Geräusche von Schwertern und Rüstungen vermischten sich mit dem unruhigen Schnauben der Schlachtrösser in der feuchtkalten Dunkelheit zu einer gespenstischen Weise.
Adelheid umarmte Ludwig noch einmal, bevor er sich auf seinem rabenschwarzen Pferd nach vorn zu Gottschalk begab. Stolz und gleichzeitig mit bangem Gefühl im Herzen blickte sie ihrem Ältesten nach.
Die Luft war klamm, einzelne Sterne leuchteten dort, wo die Helligkeit des Mondes nicht ausreichte, um sie zu überstrahlen. Als die Reiter von der Schwärze des Waldes verschluckt worden waren, ließ Folkmar das Tor schließen. In dieser Nacht wurden die Wachen auf den Türmen und an den beiden Torhäusern verdoppelt.
Ohne Hoffnung, Schlaf zu finden, wandte Adelheid sich zur Kapelle, um zu beten. Während sie vergeblich nach Worten suchte, kroch die Erinnerung an die vergeblichen Bitten in früheren ähnlichen Situationen wie ein Gespenst aus ihrem Unterbewusstsein. Mit leerem Kopf kniete sie vor dem Tisch des Herrn und kaute verzagt auf ihrer Unterlippe. Vielleicht genügte es dem Allmächtigen, wenn sie einfach nur hier war? Hieß es nicht immer, seine Wege seien unergründlich? Nach einer Weile erhob sie sich und entzündete am Altar mit kältestarren Fingern eine Kerze, dabei hörte sie hinter ihrem Rücken das Knarren der alten Eichentür. Folkmar trat zu ihr, nahm ihr den Kienspan aus der Hand und brachte eine zweite Kerze zum Leuchten.
„Eine für Ludwig und eine für Gottschalk!“, flüsterte er und lächelte schief. Auch er sorgte sich um den Ausgang des Kampfes, und irgendwie erschien ihr plötzlich alles leichter zu ertragen.
Der Burggeistliche, der wenig später die Vigilien lesen wollte, fand die beiden Eheleute eng aneinander gelehnt vor dem Altar kniend. Um sie nicht zu stören, verrichtete Pater Julius sein nächtliches Gebet auf den Steinstufen vor der Kapelle.
In den frühen Morgenstunden, der Nebel lag feucht und schwer wie frischer Schnee über dem Burggraben, drang das gedämpfte Geräusch von vielen Pferdehufen über die Mauern. Nach einigen Zurufen rasselten die Ketten der Zugbrücke, polterten schwere Riegel und Hebebäume, dann öffnete sich knarrend das Haupttor. Mit gesenkten Köpfen hockten die Reiter auf den Pferden, die müde über die Zugbrücke trotteten. Kein einziger Kampfesschrei war ertönt, kein Pfeil verschossen, niemand hatte sein Schwert gezogen. Als Folkmar und Adelheid in eilig übergeworfenen Mänteln hinunter eilten, stand Ludwig bereits im Saal und fachte die Glut im Kamin an, um sich die durchgefrorenen Glieder wärmen zu können.
„Was ist geschehen?“, riefen beide fast aus einem Mund.
„Verrat!“, antwortete Ludwig niedergeschlagen und legte Buchenholzscheite auf die jetzt munter züngelnden Flammen.
„Verrat …?“, wiederholte Adelheid ungläubig. „Aber wer …?“
„Wir wissen es nicht. Wir waren vielleicht zwei Stunden unterwegs, als uns ein Bote Herzog Lothars entgegenkam und berichtete, dass Graf Hoyer von Mansfeld mit dreihundert Mann die bereits eingetroffenen Truppen in der Senke angegriffen und aufgerieben hat. Siegfried ist gefallen, Wiprecht gefangen genommen. Herzog Lothar und Ludwig von Thüringen konnten fliehen.“
Folkmar schlug mit der Faust gegen den Kaminsims und starrte dann in die Flammen, die den Holzscheiten langsam ihre Konturen nahmen. „Graf Hoyer! Glühender Anhänger Heinrichs, seit er die Lehen kassiert, die der König den anderen abnimmt! So hat unsere Mission noch nicht begonnen, und ist schon gescheitert!“
„Siegfried ist tot? Der Herr beschütze seine Seele! Doch was ist mit Gottschalk?“, fragte Adelheid mit Besorgnis in der Stimme.
„Er ist mit seiner Mannschaft gleich nach Hause geritten. Er meinte, es sei besser, wenn wir uns trennen und einzeln
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