Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
lief zur Tür. Magdalena und Johannes waren angekommen. Sie raffte ihre Röcke auf und rannte hinaus, um ihrer ehemaligen Zofe halb lachend und halb weinend um den Hals zu fallen, denn sie hatten sich seit Wochen nicht mehr gesehen.
Magdalena war noch immer eine wunderschöne Frau. Das schwarze Kraushaar lag zwar züchtig unter einem weißen Gebände, doch ab und zu wagte sich eine störrische kleine Strähne hervor, als wolle sie beweisen, dass in der ungebändigten Pracht kein einziger grauer Schimmer zu sehen war. Unverändert war auch der geheimnisvolle Blick aus den nachtschwarzen Augen, von denen wie eh und je der Eindruck erweckt wurde, sie könnten jedem bis auf den Grund der Seele sehen. Fast unsichtbar blieb heute jedoch die Schwermut in ihrem Gesicht, die sich seit dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter wie eine zweite Haut über ihre Züge gelegt hatte.
Beide Straußberger waren in dick mit Pelzen gefütterte Mäntel gehüllt, der Frost hatte ihre Nasenspitzen rot gefärbt und während der herzlichen Begrüßungsworte bildete ihr Atem kleine weiße Wölkchen.
Hinter den beiden Eheleuten trat ihr Sohn Johannes heran, dessen Magerkeit trotz der dicken Kleidung noch immer erschreckend wirkte. Doch seine zuversichtlichen und freundlichen Blicke lenkten besorgte Gedanken schnell ab. Die schwarzen Locken und die dunklen Augen, zweifellos das Erbteil seiner Mutter, ließen sein Gesicht noch weißer und durchscheinender wirken. Seine kleine Schwester, die plappernd neben ihm herlief, war dagegen das Ebenbild ihres Vaters. Die schulterlangen wild gekräuselten Haare leuchteten in der Wintersonne wie frisch poliertes Kupfer und ihre großen grauen Augen blickten immer fragend, als könne sie nie genug entdecken von der Welt. Sie war erst neun und wurde von ihrer Familie abgöttisch geliebt. Magdalenas erste Tochter, die unmittelbar nach Beringars unglücklicher Geburt zur Welt gekommen war und Fortunata gerufen wurde, starb im Alter von drei Jahren an einem heimtückischen Fieber. Danach war Magdalena lange Zeit sehr schwermütig gewesen, bis sie schließlich Sigena zur Welt brachte. Das äußerst quirlige Mädchen gab ihr den Lebensmut zurück und wurde dafür von Eltern und Bruder verwöhnt.
Sigena begrüßte Folkmar und Adelheid mit einem Knicks und fragte sofort: „Wo ist Adele? Hat sie ein schönes Kleid? Was trägt sie morgen auf dem Haar? Darf ich sie sehen?“
Adelheid musste lachen. „Welche Frage soll ich zuerst beantworten? Am besten, du läufst hinauf in die Kemenate und schaust selbst nach!“
Das Mädchen nickte ernst und rannte im vollen Bewusstsein ihrer Wichtigkeit zur Tür. Dort traf sie auf Helisende, die sich ihrer annahm. Während die beiden Frauen sich lachend und plaudernd nach oben an den Kamin begaben, schlugen Folkmar und Johannes den Weg über den Hof zur Waffenkammer ein, um dort ungestört reden zu können.
„Was gibt es Neues?“, fragte Johannes begierig, kaum dass sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Er wusste, dass auf Lare noch immer einige Fäden im Widerstand gegen den ungeliebten König zusammenliefen.
„Heinrich hat Friedrich von Sommerschenburg die Pfalzgrafenwürde entzogen“, entgegnete Folkmar mit mühsam unterdrücktem Zorn.
„Mein Gott – wie weit will er eigentlich noch gehen?“ Johannes strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht und sein Blick glitt nachdenklich über die ordentlich an der Wand aufgereihten Flügellanzen. „Warum hat er das getan?“
Folkmar lachte bitter auf. „Seit wann benötigt er Gründe?“
„Was ist mit Burg Walbeck?“
„Oh, ich denke, die Feste wurmt ihn sehr, schließlich wird Hoyer von Mansfeld durch ihre Besatzung arg gepiesackt. Ein kluger Schachzug von Lothar, die Burg genau vor Hoyers Nase errichten zu lassen. Doch Heinrich hat mit dem Sachsenstein auch einen nicht zu unterschätzenden Trumpf.“
„Wie soll es jetzt weitergehen?“
„Der junge Wiprecht ist fest entschlossen, seinen Vater endlich zu befreien, der nun schon den dritten Sommer im Verlies verbracht hat. Der Junge ist mit seiner Frau auf Loburg untergeschlüpft und ist dort kaum noch zu bremsen. Ich denke, spätestens Anfang Februar wird es eine Entscheidung geben!“
„Aber diesmal muss es gelingen, noch eine Niederlage werden wir nicht verkraften.“ Johannes strich mit dem Daumen vorsichtig über die Schneide eines der Schwerter, die hinter ihm auf dem Regal gelagert waren. Er pfiff durch die Zähne. „Ein guter Schliff! Mit deinem
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