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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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letzten Nächte ließen ihr keine Ruhe. In der einkehrenden Stille lauschte sie auf das Geräusch ihres Atems und das Knistern der Kerzenflammen. Es war ein so friedvoller Ort und sie fragte sich, warum sie nicht öfter hierher gekommen war, um Ruhe und Entspannung zu finden. Sie blickte auf den festgestampften Boden vor dem Altar, der mit frischen Binsen bestreut war und jene Nacht vor vielen Sommern fiel ihr ein, in der sie dort gelegen und geglaubt hatte, sie könne eins werden mit der kalten Erde. Hier, im Angesicht des Kreuzes, war der Hauch von Ewigkeit allgegenwärtig. Den Gedanken an die Endlosigkeit der Zeit fand sie traurig und tröstend zugleich. Wie klein und unbedeutend ihre Probleme sein würden, in tausend, gar schon in einhundert Jahren!
    Ein leichter Luftzug und das Knarren der Tür kündigte Gesellschaft an. Die Flamme der Opferkerze flackerte und drohte zu erlöschen. Es war Pater Julius, der aus dem Palas zurückkehrte.
    Er setzte sich zu ihr auf die harte Holzbank, deren Lehne so steil war, dass alle Messebesucher gerade sitzen mussten, als hätten sie eine Lanze im Schlund.
    „Pater, ich hatte einst einen Handel mit Gott“, begann sie ohne Umschweife, als wären sie bereits mitten in einem Gespräch. Seine braunen Augen suchten ihren Blick und signalisierten gespannte Aufmerksamkeit.
    „Als dieser fehlschlug, beschloss ich, Ihn zu strafen, indem ich nicht mehr an Ihn glaubte.“ Sie schwieg eine Weile, um sich zu konzentrieren. „Ich ging zwar weiterhin zur Messe, um die Form zu wahren, aber ich saß nur auf dieser Bank, ohne wirklich zu hören. Stattdessen hing ich meinen eigenen Gedanken nach. Der Herr hatte für mich keine Bedeutung mehr.“
    Er entgegnete mit ruhiger Stimme: „Warum möchtet Ihr zurück zu Gott, Frau Adelheid?“ Seine schneeweißen Hände lagen auf dem rauen Stoff der braunen Kutte und wirkten sehr zerbrechlich.
    „Ich weiß es nicht genau. Ich dachte nur … In den letzten Jahren war ich sehr glücklich, Pater Julius. Ich fand es plötzlich undankbar, weiterhin zu schmollen, obwohl Er es offensichtlich gut mit mir gemeint hat.“ Die mit tanzenden Staubteilchen gesättigten Sonnenstrahlen tasteten sich allmählich die hölzernen Stufen vorm Altar hinab. Der gekreuzigte Jesus hing wieder im Schatten und sein Gesicht sah unfreundlicher aus als noch während der Messe im hellen Morgenlicht.
    „Ihr meint also, Ihr seid Ihm etwas schuldig? Ihr wollt Ihn dafür entlohnen, dass Er freundlich zu Euch war?“ Die hellen Pünktchen in seiner Iris leuchteten wie Funken eines nächtlichen Feuers.
    Adelheid fragte sich, ob er zornig auf sie war. Sein Gesicht hatte einen ähnlichen Ausdruck angenommen wie das des Mannes am Kreuz. Doch seine Augen strahlten unverändert Ruhe und Konzentration aus. Machte er sich vielleicht lustig über sie?
    „Worum habt Ihr mit Gott gehandelt?“, fragte er weiter.
    „Um das Leben zweier Menschen, die mir damals alles bedeuteten: das meines Vaters und das des Ritters Gernot, der uns damals als väterlicher Freund eine große Stütze gewesen wäre. Letztendlich hat Er mir auch noch meinen Bruder Ludwig genommen.“
    „Und was hattet Ihr dem Herrn geboten?“
    „Meinen Glauben!“, antwortete Adelheid leicht verwundert. Was sonst hätte sie gehabt?
    Eine Weile schwiegen sie beide und jeder schien seinen Gedanken nachzuhängen. Ein früher weißer Schmetterling flatterte durch den Fensterbogen und tanzte auf dem greifbar wirkenden Sonnenstrahl.
    „Was sollte Er damit anfangen?“
    Darauf wusste Adelheid keine Antwort. Sie schwieg verdutzt, ahnte jedoch allmählich, was der Pater sagen wollte.
    „Den Glauben, hohe Frau, den gibt es nur für uns Menschen. Gott existiert auch ohne den Glauben. Er braucht ihn nicht, genauso wenig wie es Verträge zwischen Euch und dem Herrn bedarf. Doch erst mit dem Glauben existiert der Herr in Euch! Ihr habt diesen Handel mit Euch selbst abgeschlossen, darum liegt er Euch jetzt schwer auf der Seele.“
    Die Erkenntnis war noch schwach und schwer zu greifen, aber sie begann, ihr Bewusstsein auszuleuchten wie der Sonnenstrahl, der inzwischen in der vordersten Reihe angekommen war und ihre Füße wärmte. Sie streckte die Hand aus und ließ das Licht zwischen ihren gespreizten Fingern hindurchscheinen. Sie schloss die Hand, drehte sie um und öffnete sie wieder. War es mit dem Glauben an Gott nicht ähnlich wie mit diesem Licht? Warm zu fühlen und hell zu sehen – aber nicht zu greifen.
    „Was soll ich jetzt

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