Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
vorankamen. Vor einer kleinen, aber sauberen Schankstube am Weg rasteten sie unter schattigen Tannen und ließen sich eine deftige Mahlzeit servieren. Der Wirt, ein braver Mann mit ordentlichen Manieren, stellte keine neugierigen Fragen und empfahl ihnen, möglichst noch vor der Dämmerung Quartier zu suchen, da zahlreiche Räuberbanden die Berge verunsicherten. Nachdem die Pferde getränkt waren, ritten sie durch das enge Tal weiter stetig bergauf. Adelheid suchte mit wachem Blick die Hänge ab und bei jedem verdächtigen Geräusch aus dem dichten Unterholz zuckte ihre Hand an den Schwertgriff, denn obwohl sie nicht sehr furchtsam war, nahm sie die Worte des Wirtes ernst. Sie hatte sich von Ansgar eine leichte Waffe aussuchen lassen, um sich im Notfall selbst verteidigen zu können. Die Männer der Begleitmannschaft stellten ihre lockere Unterhaltung ein und achteten auf jedes Knacken im Gebüsch. Selbst die Pferde schienen aufmerksamer zu sein, ihre feinen Ohren spielten nervös und sie setzten die Hufe vorsichtiger. Thymbos scheute leicht an einem ausgetretenen Wildpfad, der die Straße kreuzte und Adelheid erkannte Wolfsspuren im Waldboden, als sie sich herabbeugte, um ihm beruhigende Worte ins Ohr zu murmeln.
Am Nachmittag erreichten sie den Kamm des Gebirges, von nun an ging es wieder bergab. Sie trafen auf eine Gruppe von Kaufleuten aus Magdeburg, die in Nordhusen Tücher und feine Stoffe feilbieten wollten. Auch sie hatten Sorge, noch vor der Dunkelheit aus dem Gebirge heraus zu sein und drängten vorwärts, ohne sich auf lange Worte einzulassen. Adelheid mahnte jetzt wieder zur Eile, sie wollte die Nacht hinter den Stiftsmauern von Quitlinburg verbringen, wo sie sicherer waren als in einer der kleinen und zum Teil wenig einladenden Herbergen am Wege. Von einem Aussichtspunkt, an dem sie Rast machten, um die Pferde grasen zu lassen, konnten sie das Harzvorland überblicken und sahen im Nordosten auf einem kleinen Hügel die spitzen Türme des Stifts in den blauen Himmel ragen. Am Horizont in westlicher Richtung neigte sich die Sonne den Glockentürmen von Halberstadt entgegen. Dahinter am diesigen Horizont wusste Adelheid das Kloster Huisburg.
N ach einer ruhigen Nacht in der Stadt Quitlinburg ritten sie auf ausgeruhten Pferden weiter und passierten um die vierte Tagesstunde die Mauern von Halberstadt. Vor ihnen lag eine öde, von zahlreichen Sümpfen durchzogene Ebene, die am Horizont an einem sanften Höhenzug endete. Ein fest gefahrener Hohlweg wand sich wie ein schwarzer Wurm durch die modrig riechenden tückisch grünen Wiesen, auf denen vereinzelt Birken und Erlen wuchsen. Als hätten sie wochenlang hungern müssen, fielen summende dunkle Mückenschwärme über Pferde und Menschen her und die gequälten Reittiere verfielen von selbst in eine schnellere Gangart, um den Plagegeistern zu entfliehen. Am frühen Nachmittag erreichten sie nach leichtem Anstieg endlich den Röderhof auf halber Höhe des kleinen Gebirges, wo sie einen zerlumpt aussehenden Bauern trafen, der eine Kuh vor sich her trieb. Er wies ihnen einen Weg durch den Wald, der weiterhin leicht bergan ging, aber nicht unbequem war. Eseltreiber kamen ihnen entgegen, deren Lasttiere jeweils zwei leere Wasserfässer auf dem Rücken trugen. Bei der anhaltenden Trockenheit der letzten Wochen mussten die Zisternen des Klosters längst leer sein. Offensichtlich wurde das Wasser aus einer Quelle geschöpft, die unweit des Pfades aus dem Berg sprudelte. Einer der Mönche, die den Zug begleiteten, bestätigte ihnen, dass sie auf dem richtigen Weg seien. Adelheids Herz schlug heftig vor Aufregung, Folkmar wiederzusehen.
Schließlich schimmerten helle Kalksteine zwischen den Bäumen hindurch und sie glaubten für einen kurzen Moment, vor den Mauern Lares zu stehen. Die Steinmetze hatten hier, nördlich des Blocksberges, das gleiche Material zur Verfügung wie die Baumeister ihrer Heimat.
Nachdem sie die mächtigen Steinwälle zur Hälfte umrundet hatten, stießen sie auf ein Portal, an dem ein junger Mönch in brauner Kutte sie nach ihrem Begehren fragte. Während ein anderer Bruder sich um die Söldner und deren Pferde kümmerte, wurde Adelheid umgehend zum Vorsteher des Klosters geführt. Ein sehr großer und hagerer Mann, der den Eindruck erweckte, als wäre er bereits in der groben Kutte zur Welt gekommen, erhob sich bei ihrem Eintritt von seinem Schemel. Zwischen zwei neugierig glitzernden Augen stieß eine Hakennase auf einen schmallippigen Mund
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