Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
sie eine schwarze Trauersuckenie. Auch ihr Gebände war schwarz, sie kleidete sich seit Folkmars Tod in dunkle Farben, als könne sie allein in dieser Konsequenz Trost finden.
Von einem knabenhaften Diener, der mit einer blakenden Fackel vorausging, wurde sie über verwirrend lange Gänge und verwinkelte Treppen zum Saal gebracht, wo sie zunächst geblendet in der großen Flügeltür stehen blieb. Auf der langgestreckten Tafel strahlten Hunderte von Kerzen, die den weiten Raum in warmes und helles Licht tauchten. An den Wänden taten schwere eiserne Armleuchter ihr Übriges, ebenso wie ein Leuchter unter der Decke. Bestehend aus ringförmig angeordneten Geweihen mehrerer Zwölfender, musste er das Gewicht eines ausgewachsenen Schlachtrosses haben.
Die Decke selbst bestand aus Eichenholz, geschwärzt vom Rauch des Feuers und den unzähligen Kerzenflammen. An der Stirnseite der Tafel, direkt vor dem wärmenden Feuer eines Kamins, in dessen riesigen Schlund gut und gerne ein ganzes Fuhrwerk voller Holzscheite hineingefahren werden konnte, erblickte sie ihre Base an der Seite Herzog Lothars. Der Tisch war üppig beladen mit Pfannen und Töpfen voll dampfender Speisen, drum herum auf den Bänken drängten sich Edelleute, die anscheinend gerade mit der Mahlzeit begonnen hatten. Mehrere Diener umkreisten die Gäste mit Weinkrügen und Holzplatten, auf denen sich gefüllte Hünchen, knusprige Schweinebraten und gebackene Forellen türmten. Der Herzog sprang auf, als er ihrer ansichtig wurde und kam ihr entgegen, dicht gefolgt von einem großen schwarzen Jagdhund, der zuvor zu seinen Füßen gelegen hatte.
„Liebe Freunde“, rief er über die Tafel hinweg, „darf ich Euch die Witwe unseres treuen Mitstreiters Folkmar von Walkenried vorstellen: die hohe Frau Adelheid von Lare.“
Höflich erhoben sich die speisenden Gäste von ihren Bänken und prosteten ihr zu. Richenza war ebenfalls aufgestanden und umarmte sie stumm. Ein Diener brachte einen Becher mit würzig duftendem Moselwein. Adelheid kam direkt neben Richenza zu sitzen. Hungrig von der anstrengenden Reise ließ sie sich bereitwillig mit Hechtsuppe, Hühnerpastete und Haferküchlein verwöhnen. Nach drei Gängen wehrte sie jedoch die Diener ab, die ihr weitere Kostbarkeiten auftischen wollten. Eine wohlige Zufriedenheit breitete sich in ihrem Inneren aus, zu der sicher auch der kräftige Rotwein seinen Teil beitrug.
Nachdem die ersten Gäste gesättigt waren, brandete bald eine angeregte Unterhaltung auf und während Lothar mit seinen Tischnachbarn über die Italienpolitik des Kaisers debattierte, wandte Richenza sich an Adelheid: „Nun sagt, hohe Frau, was führt Euch zu uns? Zweifellos handelt es sich um eine dringende Angelegenheit, denn der November ist kein angenehmer Mond, um eine solche Reise anzutreten.“
Adelheid nickte lächelnd. „Ihr habt Recht, in der Tat war die Reise alles andere als angenehm. Doch sei sie vergessen, wenn Ihr mir die Hilfe zuteil werden lasst, wegen der ich sie auf mich genommen habe.“
Richenza galt weithin als eine überaus gebildete und umsichtige Herzogin, die ihrem Mann als zuverlässige Beraterin zu manch weiser und richtiger Entscheidung verholfen hatte. Enge Freunde äußerten sogar die Ansicht, ohne Richenza hätte Lothar in seiner politischen Karriere nie derartigen Erfolg erlangt. Adelheid war klug genug, den unglaublichen Machtgewinn eines ehemals unbedeutenden sächsischen Fürsten nicht nur der Umsichtigkeit seiner Frau, sondern auch deren beachtlichen Mitgift zuzurechnen, denn die Heirat mit Richenza hatte Lothar zum reichsten Mann Norddeutschlands gemacht. Und diese gewaltige Basis an Ländereien, Lehen und anderen Geldquellen schuf eine Machtfülle, die man mit Klugheit allein nicht erlangen konnte. Trotzdem spürte Adelheid mit weiblicher Intuition, dass sie mit ihrem Problem bei Richenza an der richtigen Stelle war.
Die fröhliche junge Frau, die mit ihrer frischen Ausstrahlung Freund und Feind bezaubern konnte, zog die hohe Stirn unter dem blauseidenen Gebände kraus. Ihr sommersprossiges Gesicht mit der kleinen Nase sah plötzlich besorgt aus. „Sprecht nur, was immer ich tun kann, will ich versuchen.“
In ihrer Stimme lag ehrliches Interesse.
Adelheid sah sich um, die stetig an- und abschwellenden Geräusche der um sie herum geführten Gespräche irritierten sie. Sie hätte lieber in Ruhe und allein mit Richenza geredet. Die Base schien ihre Gedanken zu erraten.
„Seid unbesorgt, Frau Adelheid,
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