Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
der Stuten bekannt vorkamen, hatte der Alte nicht vor, bis zum Ende der Arbeit zu warten, um dem Fremden interessante Neuigkeiten zu entlocken.
„Von Lare, wir sind berühmt für unsere guten Pferde!“, entgegnete der Kutscher mit unverhohlenem Stolz in der Stimme und nahm dem Sattelpferd das mit glänzendem Kupfer verzierte Zaumzeug ab. „Diese wahrhaft königliche Linie hat unsere Herrin selbst herangezogen.“
Der andere nickte anerkennend und pfiff durch die Zähne, während er die schwarze Stute mit trockenem Stroh abrieb und ihre Muskelstränge unter dem glänzenden Fell befühlte.
„Lare ist wohl ein Begriff für hervorragende Zucht, das stimmt. Bei unserem Herzog Lothar stehen auch etliche Tiere mit eurem Zeichen auf der Kruppe im Stall. Doch was führt deine Herrschaft um diese Jahreszeit noch in die Welt hinaus?“
Der Fremde legte seinen triefnassen Kutschermantel ab und schmunzelte über so viel Neugier, doch der Alte war ihm sympathisch und so plauderte er bereitwillig das wenige aus, was er wusste.
„Meine Herrin, die Gräfin Adelheid von Lare, besucht ihre Base, die Herzogin Richenza von Northeim.“
„Na, das hätte sie doch auch bei besserem Wetter haben können! War denn der Sommer nicht lang genug?“ Der Alte schüttelte den Kopf über soviel Unverstand.
„Wohl gesprochen. Mehr als einmal blieben wir im Schlamm stecken auf dieser Reise, du siehst es dem Wagen an. Überall sind die Flüsse über die Ufer getreten. Die Furten sind nicht zu benutzen. Mir graut unsäglich vor der Rückreise.“ Der Kutscher schüttelte sich vor Kälte und Widerwillen. Inzwischen waren alle vier Tiere trocken gerieben und versorgt. Der schwere hölzerne Wagen wurde mit vereinten Kräften unter ein Holzdach geschoben. Die Knechte knöpften die kunstvoll bestickten Decken, die den Reisenden als Dach gedient hatten, von den halbrund gebogenen Spannreifen und hingen sie auf der Tenne zum Trocknen auf.
„Morgen wird deine Kutsche geputzt, bis du sie nicht wieder erkennst.“ Der Alte fasste den Neuankömmling am Arm und zog ihn aus dem Stall. „Komm, ich zeige dir unsere Unterkunft, du wirst müde sein und Hunger hast du gewiss auch.“
Als sie den Hof überquerten, hatte der Regen für kurze Zeit nachgelassen. Der Fremde sah sich neugierig um: Obwohl es dunkel war, konnte er die wahrlich großzügigen Ausmaße der Burganlage erkennen. In östlicher Richtung wurde der Hof, auf dessen von der Nässe glänzenden Fläche die gesamte Laresche Feste Platz gefunden hätte, durch eine gewaltige Kirche begrenzt, deren mächtige Türme sich weit hinauf in den Nachthimmel reckten.
Der alte Fuhrknecht bemerkte das Zögern in den Schritten des staunenden Mannes und erklärte bereitwillig: „Unser Domstift, den Heiligen Simon und Juda geweiht. Hinter dessen Mauern ruht das Herz Kaiser Heinrichs III. Dort drüben bauen sie bereits eine weitere Kapelle, weiß der Himmel, wozu die Herren so viele Kirchen nötig haben.“
Er wies mit seiner gichtknotigen Hand auf ein Skelett aus Gerüsthölzern, welches ein Mauerrund umgab, dessen Grundriss eher an einen großen Wohnturm, denn an ein Kirchenschiff erinnerte. „Zwei Stockwerke soll sie erhalten, ganz wie die Liebfrauenkirche unten in Goslar. Scheint jetzt in Mode zu kommen, doppelstöckige Kirchen zu bauen.“
Gegenüber der Baustelle fiel der Blick des Kutschers auf das Kaiserhaus mit seinen großen, vom Fackelschein erleuchteten Fenstern in der selbst im Dunkeln noch prächtig wirkenden Fassade. Erhaben am Hang stehend, schien das Gebäude das Geschehen in der weiträumigen Pfalz zu kontrollieren. Der Nordflügel war unverkennbar eine weitere Kirche, wenn auch nur eine kleinere Kapelle, sicherlich bequem vom Palas aus zu erreichen. Was den Mann jedoch bereits beim Eintreffen auf der Pfalz außerordentlich erstaunt hatte, war das offensichtliche Fehlen jener Befestigungsanlagen, um die sich gemeinhin jeder Burgherr am meisten sorgte. Da waren keine hohen Mauern mit Wehrgang, Brüstung und Pechnasen, keine mächtigen Türme, die einen weiten Blick ins Land erlaubten, keine Zugbrücken oder gar Wassergräben. Waren die hohen Herren sich ihrer Haut so sicher, dass sie all jener Dinge nicht bedurften?
In einer der vielen Kammern des Kaiserhauses hatte Adelheid mit Hilfe einer Zofe ein Bad genommen und sich frisch ankleiden lassen, um ihrer Base Richenza und deren Gemahl Lothar entgegentreten zu können. Über einem dunkelgrünen Brokatkleid mit goldenen Ornamenten trug
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