Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
tatsächlich den teuersten Stoff herausgesucht, den der Händler zu bieten hatte. Die Farbe war die des Himmels in einer klaren Sternennacht, gebannt auf einen dunkelblauen Damast aus Griechenland, mit Purpur und Goldfäden durchwirkt. Das Muster, welches kunstvoll hineingewebt war, zeigte kleine Vögel in runden Käfigen. Als der Krämer erfuhr, dass aus dem Tuch ein Brautkleid werden sollte, hatte er skeptisch die Stirn gerunzelt. Aber Adelheid blieb bei ihrer Meinung, dass dies genau der richtige Stoff für ihren Hochzeitstag sei. Schließlich hatte der Mann mit den Schultern gezuckt, immerhin war hier ein gutes Geschäft zu machen, was kümmerte ihn der Geschmack der Weiber.
Aus einer eisenbeschlagenen Eichentruhe zog Magdalena ehrfurchtsvoll die weiße Suckenie heraus, die Alwina im Wechsel mit zwei anderen Dienerinnen in der letzten Woche in aller Eile mit Goldfäden und Perlen bestickt hatte. Adelheid ließ sie sich nur widerwillig anlegen. Weiß bedeutete Hoffnung, ein Luxus, der sie zu verhöhnen schien. Doch Alwina wäre enttäuscht gewesen, wenn sie ohne das prachtvolle Kleidungsstück zur Messe in der Kapelle erschienen wäre. Jetzt schob ihr die Zofe, die ihr inzwischen so vertraut wie eine Schwester war, die Prachtärmel über die Handgelenke, die aus dem gleichen Tuch geschneidert waren wie das Kleid. Sie hingen bis auf den Boden hernieder und waren furchtbar unpraktisch, aber der Schneider war der Meinung, sie müsse sie unbedingt tragen, wenn sie nicht als unmodisch gelten wolle. Alwina, die den Meister bestellt hatte, und Anna, die Frau des Mundschenks, klatschten überaus begeistert in die Hände, als der Mann das Kleid anmaß, und Adelheid hatte schließlich nur noch apathisch genickt.
Zuletzt hob Magdalena vorsichtig einen zarten goldenen Schapel aus der Truhe, der mit einem Dutzend roter Steine besetzt war und steckte ihn auf dem weißen Gebände auf Adelheids Kopf fest. Diesen Kopfschmuck hatte Graf Beringer ihr am gestrigen Abend schicken lassen, mit der Bitte, sie möge ihn vorm Altar tragen. Alwina war bei seinem Anblick in Tränen ausgebrochen und hatte ihr unter Schluchzen erklärt, dass der Rubinreif auch der Brautschmuck ihrer seligen Mutter gewesen sei.
Endlich war Magdalena fertig und betrachtete ihr Werk mit glänzenden Augen. Das Brautgewand wäre auch einer Königin würdig gewesen. Doch dann sah sie die traurigen Augen ihrer Herrin und ihr Blick wurde besorgt. Adelheid versuchte zu lächeln.
„Sorge dich nicht, Magdalena, wir beide stehen das durch. Wenn ich erst Herrin auf Straußberg bin, dann werden wir die Mörder deiner Mutter finden und ihren Tod sühnen!“
Magdalena wich zurück, ihre Augen weiteten sich entsetzt und sie schüttelte entschieden den Kopf.
„Aber warum nicht? Ich habe dir mein Wort gegeben!“
In diesem Moment klopfte es an der Tür und unmittelbar danach steckte eine Dienerin den Kopf hinein.
„Der Herr schickt nach Ihnen, Jungfer Adelheid, die Messe beginnt!“
Als sie über den Burghof zur Kapelle gingen, regnete es in Strömen. Die kleine Messglocke versuchte erbittert gegen das Geräusch der von den Dächern rauschenden Wassermassen anzukämpfen. Vier Dienerinnen breiteten über der Braut einen wasserdichten Mantel aus und zwei liefen nebenher, um Kleidersaum und Suckenie über den Schlamm zu tragen, der sich zwischen den buckligen Pflastersteinen stellenweise auf dem Hof gesammelt hatte. Adelheid fiel ein, dass ihr Vater und Pater Caesarius schon des öfteren davon gesprochen hatten, die Kapelle zu vergrößern und dann dafür zu sorgen, dass man vom Saal aus trockenen Fußes direkt in das Gotteshaus gelangen könne.
„Wie praktisch das wäre“, dachte sie, doch plötzlich fiel ihr ein, dass ihr das egal sein könne, da sie dann längst auf Straußberg leben würde. Zum ersten Mal seit den letzten zwei Wochen erwachte sie aus ihrer Lethargie und die Panik überfiel sie so unverhofft, dass sie abrupt stehen blieb. Die Dienerinnen an ihrem Rocksaum stolperten und blickten verständnislos zu ihr auf. Sie war im Begriff, ihre Heimat und all das, was ihr so vertraut war, aufzugeben! Da traf sie Magdalenas verständnisvoller Blick und ihr fiel ein, dass ihre kleine Freundin noch viel mehr verloren hatte und trotzdem nicht verzweifelte. Sie lächelte ihr dankbar zu und nahm ihre Schritte wieder auf. Die Zofe hatte ihr neues Kleid fast schon unschicklich hoch gerafft, aus Angst, es könne mit Schlamm bespritzt werden. Warum nur hatte sie vorhin
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