Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Kontrolle zu halten. Seitdem er vor zehn Sommern bei Oberspier einen leichten Sieg über die Aufständischen errang, hat sich nichts geändert. Die Sachsen sind stark und werden immer stärker. Sie drängen an die Macht. Wir liegen an der Grenze zu ihren Gebieten, und der König ist mal hier, mal dort. Auf seine Hilfe können wir uns nicht verlassen.“
„Aber die Bauern würden uns helfen!“, warf Adelheid zuversichtlich ein.
Der Graf schnaubte verächtlich. „Dafür lege ich meine Hand nicht ins Feuer. Der Zehnt des Mainzer Erzbischofs ist unverändert so hoch, dass unsere Bauern davon erdrückt werden. Es ist kein Wunder, dass sie sich immer wieder auch gegen uns erheben. Damals haben sie mit uns gemeinsame Sache gemacht, aber wer kann wissen, was übers Jahr in den Köpfen der Abhängigen vorgeht?“
„Ihr glaubt, dass Eure eigenen Bauern gegen uns ziehen werden?“ Adelheid vergaß für einen Moment ihre eigenen Probleme. In den letzten Jahren hatte sie immer wieder einzelne Gespräche über Bauernaufstände aufgeschnappt, aber das war meist einige Tagesritte entfernt gewesen und hatte sie nicht weiter berührt. Als der Adel vor Jahren sich gegen den König auflehnte und die Bauern sich dem Aufstand anschlossen, war sie noch ein Kleinkind gewesen.
Ihr Vater legte seine schwere Hand auf ihre Schulter. „Ich glaube nur, was ich sehe. Aber zuvor muss ich mit allem rechnen, mein Lehen schützen und für die Zukunft absichern. König Heinrich stellt in seiner Unbeständigkeit eine große Gefahr für unser Land dar. Als er vor neun Jahren nach Canossa ging, um sich Papst Gregor zu unterwerfen, verehrte ihn das einfache Volk. Doch die Hochgeborenen durchschauten seinen geschickten Schachzug und verachteten ihn umso mehr. Er würde alles tun, nur um seine politischen Ziele durchzusetzen. Doch letztendlich erntet er nur Widerstand, ja sogar Verrat!“
Graf Beringer redete sich in Rage und begann im Raum auf und ab zu laufen. „Was hat er denn gehabt von seinem Besuch beim Papst? Er wurde erneut mit einem Bann belegt! Wutentbrannt reist er wieder nach Italien und setzt den Stellvertreter Gottes einfach ab. Ernennt seinen eigenen Papst und lässt sich zum Kaiser krönen! Inzwischen gibt es hier längst einen Gegenkönig. Also muss er hier erst wieder für Ordnung sorgen. Er ist wie ein Wolf, der in einer Schafherde hin und her springt, und die Schafe in die Hinterkeulen beißt, aber keines von ihnen wirklich reißt. Und manch einer von den Herren denkt, er kann die Situation zu seinen Gunsten ausnutzen. Sie alle hungern nach mehr Macht, sie graben uralte Streitigkeiten wieder aus und wollen sich dem Kaiser von eigenen Gnaden nicht mehr unterwerfen, die Bauern dagegen revoltieren gegen den Zehnten. Das ganze Land befindet sich im Umbruch.“
Adelheid schwieg, sie wusste nichts darauf zu antworten. Noch nie hatte ihr Vater so offen mit ihr über Politik gesprochen. Ihre eigene Meinung hatte sie sich in ihrer kleinen Welt selbst gebildet, wenn sie mit Diabolus in die Nähe der Dörfer kam und neugierig in die ärmlichen, strohgedeckten Hütten spähte, in denen die Bauern mit ihren Familien hausten. Und sie sah jeden Monat die Ochsenkarren auf der Vorburg eintreffen, die Getreide, Brennholz und Stroh brachten, daneben zerrten Bauernjungen Ziegen, Schweine oder Ochsen zum Schlachten auf den Hof. Es war schon immer so gewesen, dass die Bauern ihren Lehnsherren ernähren mussten. Dafür bot er ihnen Schutz. Pater Caesarius hatte ihnen das erklärt, in einer der Unterrichtsstunden, die sie mit ihrem Bruder Ludwig gemeinsam erhalten hatte. Aber warum waren die Bauern trotzdem so arm, wo sie doch das ganze Land ernährten? Mussten sie tatsächlich zuviel abgeben? Hatten die Adligen nicht alles im Überfluss?
Gelächter auf dem Hof riss sie aus ihren Gedanken. Die Reitknechte brachten die Pferde für die Männer vom Straußberg und scherzten mit den Mägden, die Wasser vom Brunnen her in die Küche schleppten. Der Ritter, der nun ihr Bräutigam war, trat mit seinem Gefolge aus dem Saal. Es dauerte eine Weile, bis sie unter Fluchen und Schimpfen ihre Gäule bestiegen hatten, die nach der Nacht im fremden Stall unruhig und nervös waren. Schließlich galoppierten sie davon und es kehrte wieder Ruhe ein auf dem Hof.
„Vater, erfüllt mir noch eine Bitte. Ich möchte, dass Magdalena meine Zofe wird und außerdem …“ Adelheid zögerte. Wie sollte sie dem Vater ihr Versprechen erklären? Sie konnte ihm unmöglich
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