Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
mit. Im Notfall habt ihr immer noch den Bergfried als letzte Zuflucht. Doch nun bleibt ruhig, vielleicht klärt sich alles als harmlos auf.“
Sie hatte ruhig und bestimmt entschieden, niemand widersprach. Sie war jetzt die Herrin.
Der Torwächter öffnete ihr die kleine Schlupfpforte, durch die sie auch sonst immer die Burg verlassen hatte. So konnte das Haupttor verschlossen bleiben. Er half Magdalena noch auf das Pferd, dann verriegelte er auch die kleine Tür.
Magdalena saß im Sattel hinter ihrer Herrin. Sie zitterte vor Angst, doch Adelheid hatte zunächst nur damit zu tun, ihren Hengst zu beruhigen. Diabolus legte einen sehr holprigen Schritt an den Tag, er ging nicht gern mit zwei Reiterinnen. Nebel waberte in zarten Schwaden über der Schlucht und ein feiner Nieselregen drang bis auf die Haut. Sie umritten die schützende Burgmauer bis zum Haupttor und überquerten dann den Graben. Nachdem sie die Zugbrücke verlassen hatten, erklang hinter ihnen das hässliche Rasseln der Ketten, mit denen die Brücke hochgezogen wurde. Der Wippbaum mit den Gegengewichten verursachte ein jaulendes Geräusch wie der Schrei einer rolligen Katze. Eine Gänsehaut bildete sich auf Adelheids Rücken und das unangenehme Gefühl des Ausgeliefertseins kroch ihr in den Magen wie flüssiges Pech.
Von nun an hatten sie freie Sicht auf die Straße in Richtung Mülhusen. Der Reitertrupp, der vom Torhaus her bereits länger in Sicht sein musste, war nur noch wenige Minuten entfernt. Adelheid lenkte ihr Pferd in die Mitte des Weges, damit sie, in friedlicher Absicht kommend, gut zu sehen war. Der Mann auf dem Schimmel, der an der Spitze ritt, hob darauf hin seinen rechten Arm und der gesamte Trupp verfiel in eine langsame Gangart.
Schließlich standen sie sich gegenüber. In Adelheid baute sich eine dunkle Ahnung auf, als sie Diabolus zügelte. Der große Mann auf dem Schimmel trug das Mülhuser Wappen auf dem Schild und seine Leute kamen aus einer Schlacht, das war nicht zu übersehen. Sie waren mit Schlamm und Blut bespritzt und sie sahen erschöpft aus.
Der Anführer musterte die beiden Frauen mit unverschämten Blicken und eine drückende Stille breitete sich aus, die nur von dem nervösen Schnauben der Pferde unterbrochen wurde. Adelheid ergriff schließlich das Wort.
„Ich bin Adelheid von Lare, Tochter des Grafen Beringer von Lare, und ich grüße Euch. Ich hoffe, Ihr bringt Kunde von meinem Vater? Ist er wohlauf?“
Der Reiter deutete eine leichte Verbeugung an, eine zynische Geste, wie sich bald herausstellen sollte. Er sprach mit dröhnender Stimme, so dass auch der letzte Mann hinter ihm seine Worte hören konnte:
„Ich bin Godhart von Mülhusen und ich grüße Euch ebenfalls, edle Frau. Ja, ich bringe Kunde von Eurem Vater. Und nein, er ist nicht wohlauf. Er ist tot.“
Mit diesen wenig feinfühligen und höhnischen Worten lenkte er seinen Schimmel einen Schritt zur Seite und gab den Blick frei auf ein Pferd, das inmitten des Trosses gelaufen war. Sie erkannte es sofort an der Blesse, es war der Hengst ihres Vaters. Irgendjemand gab ihm einen Klaps auf die Hinterhand und er trabte müde ein paar Schritte nach vorn. Der Körper des Grafen war über den Sattel gelegt und festgebunden, sein Kopf baumelte neben dem Steigbügel. Oberhalb des Kettenhemdes ragte aus seinem Genick der zersplitterte Schaft eines abgebrochenen Speeres hervor.
Adelheid stieß einen markerschütternden Schrei aus und ließ sich, ohne dabei auf Magdalena zu achten, vom Pferd gleiten. Sie stürzte sich zwischen die feindlichen Reiter und hob den leblosen Kopf ihres Vaters, nahm ihn zärtlich in ihre Arme und begann, ihm übers Haar zu streichen, als könne sie ihn damit ins Leben zurückholen. Doch die starren Augen blickten ins Leere, fast erstaunt, als könnten sie selbst nicht glauben, was geschehen war. Die fremden Männer wichen mit ihren Pferden zurück, zeigten wider Willen Ehrfurcht vor der tiefen Trauer einer Tochter um ihren Vater. Mit einer sanften und endgültigen Bewegung schloss Adelheid dem Grafen die Augen, während Magdalena versuchte, sie von dem Toten weg zu ziehen.
„Lasst ihr noch ein wenig Zeit!“, klang Godharts Stimme von seinem Schlachtross herunter. „Sie soll sich in Ruhe verabschieden, denn wir werden den Leichnam mitnehmen und auf dem Marktplatz von Mülhusen hängen, bis ihn die Krähen entsorgt haben.“
Einige seiner Männer lachten.
Während Adelheid nichts zu hören schien, weiteten sich Magdalenas Augen
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