Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Hühner können von deinen Kindern versorgt werden, wenn du auf dem Feld bist. Ich werde den Verwalter bitten, dir einmal pro Woche einen Knecht aufs Feld zu schicken. Für die Kleinen kannst du dir Milch aus der Milchstube holen. Und jetzt geh. Wenn du einmal genug Eier übrig hast, dann sehen wir uns wieder.“
Die Frau glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Adelheid musste sie zu den Hühnern hinüberschieben, und erst als sie die Tiere an den Füßen zusammen gebunden in der Hand hatte, begann sie sich überschwänglich zu bedanken. Der Mönch, der die Frau in seiner Liste durchstreichen musste, warf Adelheid missbilligende Blicke zu, wagte aber keine Widerrede. Er schnaufte ärgerlich, als müsse er die Hühner aus seinem eigenen Besitz hergeben. Sie ahnte, dass er dem Ritter nachher sein Leid klagen würde, aber das war ihr egal. Ihr Vater hatte ihr ein gewisses Maß an Ehrfurcht vor den Leuten beigebracht, von denen der Adel und die Ritterschaft lebten. Wie sollten die Bauern ihre Herren ernähren, wenn sie selbst Hungers starben?
Bis zur zweiten Stunde nach Mittag nahm sie Schafe, Eier, Butter, Getreide, Hühner, zwei Schweine, Strohbündel und Brennholzfuhren entgegen. Dann schien auch der letzte Bauer seinen Zehnt gebracht zu haben. Ein prüfender Blick des Mönches in seine Liste bestätigte dies. Er rollte eilig sein Pergament zusammen, packte Federn, Federmesser und Tinte ein und trollte sich in Richtung Saal. Mägde und Knechte waren damit beschäftigt, Vieh und Naturalien sachgemäß auf Ställe, Scheuern und Vorratskammern zu verteilen.
Adelheid ging zu den Pferdeställen, um noch einmal nach Diabolus zu sehen. Er stand wieder in seiner Ecke, auf frischem Stroh, und knabberte an duftendem Heu. Rodin versorgte gegenüber gerade die Fuchsstute mit Hafer. Adelheid griff gewohnheitsmäßig zum Striegel, um ihren Hengst zu verwöhnen. Der Alte warf ab und zu ein paar anerkennende Blicke herüber, er hatte stets Achtung vor Leuten gehabt, die gut mit ihren Pferden umgingen.
Nach einer Weile ergriff Adelheid das Wort: „Rodin, wer ist eigentlich für Reparaturen an diesem Stall verantwortlich?“ Vorsichtig versuchte sie, eine Klette aus den langen Schwanzhaaren des Pferdes zu ziehen.
Der alte Knecht stutzte nur kurz, dann sagte er: „Die Anweisungen für Reparaturen muss der Herr selbst geben. Ausführen tut sie der Zimmerer unten im Dorf. Warum fragt Ihr, Herrin?“
„Nun, sieh dich um! Die Raufen sind angefressen, der Heuboden ist löchrig wie ein Vogelnetz. Auch der Fußboden müsste dringend ausgebessert werden, bevor sich ein Pferd verletzt.“ Sie striegelte jetzt die Kruppe und Diabolus stand lammfromm und genoss die kräftigen Handbewegungen.
Rodin seufzte. Er vergaß die Arbeit an der Stute und kam herüber, damit er seine Stimme senken konnte. „Ohne Befehl vom Herrn können wir den Zimmerer nicht holen, Herrin. Der Vogt sagt, es fehlt an Geld. Aber ich weiß davon nichts. Ich tue nur meine Arbeit.“
Adelheid nickte beruhigend. „Keine Sorge, ich werde mich darum kümmern. Achte du nur darauf, dass niemand von diesem Heuboden herunterstürzt. Auch die Jungknechte sollen vorsichtig sein!“
Als Adelheid zurück zum Palas ging, knurrte ihr der Magen. Seit dem frühen Morgen hatte sie nichts gegessen. Auf dem Burghof fiel ihr ein Bauernmädchen auf, dass sich in der Nähe des Tores herumdrückte und offenbar nicht recht wusste, wohin. Sie trug einen einfachen, sauberen Überrock und grobe Schuhe mit Holzsohlen. Ihre langen braunen Haare waren zu Zöpfen geflochten und wie ein Kranz um den Kopf gelegt. Spontan ging Adelheid auf sie zu und fragte sie nach ihrem Begehren.
„Ich bin Gunda, die Tochter des Bauern Hadrich zu Wernrode.“ Damit meinte sie wohl, alles Nötige gesagt zu haben.
„Was führt dich so spät noch hierher?“ Adelheid verstand nicht.
„Der Herr hat mich herbestellt, wegen meiner Hochzeit mit Hadamar …“ Sie wurde rot bis an die Haarwurzeln und senkte den Blick.
Jetzt fiel Adelheid der Bauer wieder ein, der um Erlaubnis gebeten hatte, seine Tochter verheiraten zu dürfen. Doch was wollte Dietmar mit der Jungfer, vor allem allein – ohne den Bräutigam?
Die Erkenntnis durchfuhr sie wie ein Blitzschlag, das Gefühl, das sie schon heute Mittag gehabt hatte, als dieser Ausdruck in die Augen des Ritters trat. Genau wie in ihrer Hochzeitsnacht, als ihr der Weindunst ins Gesicht schlug. Das Recht der ersten Nacht …
Sie schloss die Augen und rang um Fassung. Das
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