Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
waren fest geschlossen und sie schien Adelheid nicht zu bemerken. Verwundert blieb Adelheid in der Tür stehen und beobachtete ihre Zofe. Sie hatte noch nie jemanden so intensiv beten gesehen. Aber war das überhaupt ein Gebet?
Schon einmal hatte Magdalena diese rhythmischen Bewegungen ausgeführt. Adelheid erinnerte sich mit Schaudern an die Ereignisse im Wald, als Magdalena den Körper ihrer toten Mutter wiegte. Auch damals hatte sie diesen eigentümlichen Singsang auf den Lippen gehabt. Ohne noch an das Linnen zu denken, schlich sie wieder aus der Kammer.
Gernot warf sich auf seinem Lager hin und her, sein Fieber war kaum noch zu senken. Die übel riechende eitrige Flüssigkeit, die aus der Wunde am Oberarm austrat, vergiftete den Körper des Mannes, da halfen weder Tee noch Umschläge. Sie konnte nur noch hoffen, dass der Körper selbst sich zu helfen vermochte. Doch diese Hoffnung schwand von Stunde zu Stunde.
Gerade hatte Adelheid frisches, kühleres Wasser für die Stirn des Kranken vom Brunnen heraufgeschleppt, da hörte sie von der Vorburg her Unruhe aufkommen. Die Art der Rufe und Schreie ließ ihr das Herz schneller schlagen und eine gewisse Panik in ihr aufsteigen, sie wusste sofort, es war wieder ein Unglück geschehen.
„Hoffentlich nicht Ludwig!“, murmelte sie vor sich hin, während sie mit sorgenvollem Blick ans Fenster lief. Der Burghof war noch leer, doch über die Zugbrücke kamen bereits erste Hufschläge. Draußen auf der Vorburg kläffte die Hundemeute. Das Gesinde, welches dem Küchenmeister entkommen konnte, trat auf den Hof, um Hilfe anzubieten oder einfach nur aus Neugier. Die Leute schwiegen ahnungsvoll, denn auch sie hatten die fröhlichen Jagdhörner vermisst, die sonst das Ende einer erfolgreichen Pirsch bekannt gaben.
Als erster ritt Graf Ludwig durch das Tor und Adelheid schloss vor Erleichterung kurz die Augen, während sie im Stillen Gott dankte. Hinter sich hatte er ein kräftiges Pferd mit einem blutüberströmten grauschwarzen Tier quer über dem Sattel, das musste der Keiler sein. Also hatten sie es geschafft, das Wild zu erlegen! Anschließend sah sie die Herren mit ihren Gefolgsleuten hereinreiten. Die Gäule ließen müde ihre Köpfe hängen. Bald war der ganze Hof wieder voller Reiter und Pferde, doch die Stimmung blieb gedämpft. Sie saßen erschöpft ab und unterhielten sich zwar erregt, aber leise, so dass die Frau oben am Fenster keine Gesprächsfetzen erfassen konnte. Einige blickten verstohlen hinauf zur Kemenate. Inzwischen war auch der letzte Reiter über die Brücke und Adelheids Augen suchten fieberhaft ihren schwarzglänzenden Hengst. Doch weder er noch Ritter Dietmar erschienen auf dem Hof. Auch Johannes mit seiner Fuchsstute konnte sie nirgends erblicken. Vielleicht waren die beiden bereits draußen bei den Ställen abgesessen? Der Ritter wollte sich sicherlich mit dem übernervösen Hengst auf dem Hof nicht blamieren. Doch Johannes? Sie musste Gewissheit haben. Sie raffte ihr Kleid auf und lief zur Tür. Dort stand Magdalena mit großen leuchtenden Augen, die irgendwie Zufriedenheit und Zuversicht ausstrahlten, doch Adelheid hatte keine Zeit, sich darüber zu wundern.
„Bitte bleib bei den Verletzten“, rief sie ihr zu und zog sich den Schleier vor das Gesicht, „ich bin so bald wie möglich zurück!“
Unten im Saal war alles ruhig, die Tische und Bänke noch leer. Hastig lief Adelheid zur Eingangstür, die sie fast ihrem Bruder Ludwig vor den Kopf gestoßen hätte, so impulsiv warf sie sich dagegen. Ludwigs Augen leuchteten kurz auf, als er sie sah. Dann fasste er sie am Arm und zog sie mit nach drinnen.
„Gut, dass du mir gleich in die Arme läufst, Adelheid. Ich muss mit dir reden.“ Er setzte sich auf eine der nächsten Bänke und zog sie zu sich herab.
Adelheid schnürte es die Kehle zu, doch wagte sie nicht, eine Frage zu stellen. Stattdessen blickte sie ihren Bruder abwartend an.
„Dein Gemahl – Ritter Dietmar – er ist tot.“ Er nahm ihre Hand, nicht um sie zu trösten, sondern einfach nur als herzliche Geste zwischen Bruder und Schwester. Er wusste, dass sie in diesem Falle keinen Trost benötigte.
Adelheid atmete tief ein und wartete auf eine innere Regung, doch sie fühlte weder Schmerz noch Freude, nur Leere. Sie griff zum Schleier und warf ihn zurück. „Dir gegenüber brauche ich nicht die trauernde Witwe zu spielen. Aber sage mir trotzdem, wie ist es passiert?“
Ludwig erschrak, als er die Schwellung in Adelheids
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