Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
verschlug, war das Pferd, das er am Zügel führte: Diabolus. Der Ritter hatte den Kopf hoch gereckt, wohl wissend, dass er bei den Gästen mit diesem prächtigen Pferd auffallen würde. Bei den Leuten von Lare hoffte er Eindruck zu schinden, wenn er den Rappen, welcher als schwierig eingeschätzt wurde, beherrschen konnte.
Während Diabolus auf die Fuchsstute zustrebte und ihm die vielen neugierig staunenden Augen egal waren, wirbelte Adelheid wutentbrannt vom Fenster weg und die Treppe hinunter. Wer hatte dem Ritter erlaubt, Diabolus satteln zu lassen? Warum hatte der Stallbursche Hannes sie nicht informiert? Unten im Saal stieß sie auf Magdalena, die mit einer frischen Kanne Tee aus der Küche kam.
Die Zofe schien nicht überrascht, als Adelheid ihr zurief: „Er hat Diabolus satteln lassen, er will ihn zur Jagd reiten!“
Magdalena stellte eilig den dampfenden Aufguss ab und vertrat ihrer Herrin den Weg. Sie legte ihr beide Hände auf die Schultern und drehte sie so, dass sie ihr genau gegenüber stand. Dann hob sie ihren Schleier auf. Wenn sie überrascht oder gar erschrocken war wegen Adelheids entstelltem Gesicht, dann verbarg sie es sehr gut. Wahrscheinlicher war jedoch, dass sie gewusst hatte, warum ihre Herrin diese Kopfbedeckung trug. Sie sah ihr in die Augen und schüttelte ganz langsam und bestimmt den Kopf. Ihr Blick zwang zur Ruhe und versuchte gleichzeitig, ihr noch etwas zu bedeuten, doch Adelheid war jetzt viel zu besorgt um ihr Pferd, als mit Geduld in den Augen ihrer Zofe zu lesen.
„Magdalena, ich muss ihn davon abhalten, mit Diabolus zu reiten! Der Hengst wird es nicht ertragen, dieses Scheusal auf seinem Rücken zu haben!“
Adelheid versuchte, sich loszureißen, doch Magdalenas Fäuste hielten fest wie Daumenschrauben. Empört wollte Adelheid ihre Zofe anfahren, aber dann traf sie der beschwörende Blick aus den schwarzen Augen und plötzlich brach ihr Wille. Sie fühlte, dass Magdalena Gründe hatte, die zwar nicht erkennbar waren, doch wenn sie sich fügte, würde alles gut werden. Sie ließ sich auf die Treppenstufen hinter ihr nieder und spürte für einen Moment das vertraute Gefühl ihrer Kindheit, als sie sich um nichts kümmern musste, weil ihr Vater da war und für alles sorgte. Erleichtert lehnte sie sich an Magdalenas Schulter und schloss die Augen, während die Zofe beruhigend ihre Hände streichelte. Aus dem schwarzen Kraushaar stieg ein Duft nach Fenchel und Kamille.
Draußen hörten sie verklingendes Hufgetrappel und Hundegebell, die Jäger entfernten sich. Als sie die Burg durch das Haupttor verließen, erklangen noch einmal die Hörner, dann kehrte Ruhe ein.
Während Magdalena den frischen Aufguss zu den Verletzten brachte, lief Adelheid zum Pferdestall, der fast leer war. Lediglich der Maulesel knabberte still und zufrieden ein paar Rüben und Dietmars Grauschimmel sah ihr neugierig entgegen. Hannes war nirgends zu sehen. Die beiden jüngeren Stallknechte waren als Jagdgehilfen mit ausgeritten. Der Grauschimmel schnaubte traurig und Adelheid kraulte ihn mitfühlend hinter den Ohren.
„Na Grauer, hat er dich einfach stehen gelassen, dein undankbarer Herr? Hat einen Besseren gefunden, was? Doch warte nur ab, er wird keine Freude empfinden bei diesem Ritt. Diabolus wird ihm schon zeigen, wer das Sagen hat.“ Bei diesem Gedanken lächelte sie fast, doch sie dachte auch besorgt daran, wie der Ritter reagierte, wenn jemand nicht das tat, was er wollte. Sie hoffte nur, dass er ihrem geliebten Hengst nicht weh tun würde.
Gewohnheitsgemäß griff sie zum Striegel und begann den Grauen zu bearbeiten, dem das recht gut gefiel. Während sie dabei ihren sorgenvollen Gedanken nachhing, hörte sie plötzlich ein Geräusch, das sie nicht einordnen konnte, es schien von keinem der Tiere zu stammen. Auch der Graue begann nervös zu tänzeln. Sie beruhigte ihn und lauschte. Beim nächsten Laut erkannte sie, dass es ein Stöhnen war und aus der Ecke kam, in der Diabolus normalerweise stand. Sie legte den Striegel beiseite und griff sich eine Heugabel. Im Notfall konnte sie diese als Waffe gebrauchen. Vorsichtig schlich sie sich in die Ecke, bis sie um die kleine Futterkammer sehen konnte. Erschrocken ließ sie die Gabel fallen und kniete nieder. Im Stroh lag der alte Stallknecht, seine Nase war geschwollen und blutete, sie schien gebrochen zu sein. Sie tastete seinen Körper ab, fand jedoch keine weiteren Verletzungen. Er war bewusstlos, stöhnte aber immer wieder leise vor sich
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