Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Gesicht sah. „Mitunter gibt es noch Gerechtigkeit auf der Welt“, sagte er voll Mitgefühl und strich seiner Schwester sanft über die Wange.
„Doch höre: Wie du sicher bereits weißt, hatten wir einen stattlichen Hirsch erlegt und den Hunden ihr Recht gelassen. Da spürte der Leithund einen Eber auf, den wir uns nicht entgehen lassen wollten, machte er doch einen imposanten Eindruck, wie er im Wald davonlief. Nun hatte dein Gemahl schon auf dem Hinweg den Spott der anderen Reiter ertragen müssen, weil Diabolus mit ihm tat, was er wollte.“ Ludwigs Lippen umspielte ein müdes Lächeln. „Verzeih mir Schwester, aber es war wirklich zu komisch. Dein stolzer Rappe ist verliebt! Er lief äußerst halsstarrig nur neben der Fuchsstute von Johannes und brachte den Ritter gehörig ins Schwitzen.“
Auch Adelheid musste lächeln bei der Vorstellung, wie Diabolus mit ihrem Ehemann umgesprungen war.
„So war dein Mann bei der Jagd auf den Hirsch nicht einmal zum Schuss gekommen. Sein Speer hatte das Ziel weit verfehlt, sogar fast einen der Hunde erlegt, weil Diabolus im Moment des Wurfs wieder einen mächtigen Satz in Richtung Stute getan hatte. Nun kannst du dir sicher vorstellen, wie er seine Ehre bei der Jagd auf den Eber wieder herstellen wollte. Er hatte das schnellste Pferd von uns allen unter sich, das wollte er natürlich auch beweisen. Wir stürmten dem Eber gemeinsam nach und Diabolus verdrehte schon wieder seinen schönen Hals nach dem Fuchs. Doch plötzlich schien er in der Luft stehen zu bleiben, als wenn er vor etwas erschrocken wäre, er stieg mit einem langgezogenen Wiehern, das fast wie ein Schrei klang und dann ging er durch. Er raste davon, als sei der leibhaftige Teufel hinter ihm her. Ich habe noch nie ein Pferd so schnell gesehen, auch deinen Rappen nicht. In wenigen Momenten hatten wir ihn mitsamt dem Ritter aus den Augen verloren.“
„Was war passiert?“, fragte Adelheid besorgt.
„Wir wissen es nicht.“ Ludwig zögerte kurz, als suche er nach Worten. „Wir fanden den Ritter nur wenig später im Wald. Er sah furchtbar aus. Auch wenn ich ihn gehasst habe – Gott möge mir verzeihen – einen solchen Tod hatte ich ihm nicht gewünscht. Wir schlussfolgerten, dass er dem scharfen Ritt nicht gewachsen war – was von uns auch niemand gewesen wäre – und vom Pferd stürzte, unglücklicherweise fiel er dabei dem wütenden Keiler vor die Nase. Der muss ihn durch Luft gewirbelt haben wie einen Stoffball, er war …“
Besorgt sah Graf Ludwig seiner Schwester in die Augen. Noch immer hatte er sich nicht an ihr entstelltes Aussehen gewöhnt, der Anblick schmerzte ihn. „Vielleicht sollte ich dir diese Einzelheiten ersparen?“
„Aber nein, halte mich ruhig für roh oder grausam, doch ich möchte alles hören.“
„Also gut, er war an der Seite aufgeschlitzt, wo ihn der Eber mit seinen Hauern erwischt hatte. Beim Herumschleudern hatte ihn das Tier mit seinen gewaltigen Kräften vor eine Eiche geschleudert und ihm dabei den Schädel zerschmettert. Es muss trotz allem sehr schnell gegangen sein, denn als wir ankamen, war er bereits tot. Wir verfolgten den Keiler weiter, so gereizt war er ein sehr gefährliches Tier. Es dauerte auch nicht lange, da hatten ihn die Windhunde eingekreist und griffen ihn an. Wir waren wieder nicht schnell genug, zwei Hunde hatte er schon getötet, als wir eintrafen. Er schien erschöpft, aber die Hunde und unsere Pferde leider ebenso. Inzwischen pfiff der Jagdmeister die Hunde zurück, denn wir konnten unsere Speere nicht werfen, solange die Meute das Tier angriff. Zögernd nur kamen sie zurück, sie hatten Blut gerochen. Doch schließlich gelang es, den Keiler gemeinsam zu erlegen. Es waren mehrere Speere, die tödlich trafen. Du kannst ihn dir ansehen, er ist selten groß und kräftig.“
Adelheid wartete, doch Ludwig schwieg. Seine hellgrauen Augen leuchteten in Erinnerung an den Kampf zwischen Mensch und Tier. Aufregende Jagden oder ritterliche Kampfturniere waren von Kindheit an seine Leidenschaften gewesen.
Schließlich drückte sie seine Hand, die noch immer die ihre fest umklammert hielt: „Was ist mit Johannes?“, fragte sie sanft, aber auf das Schlimmste gefasst.
„Er hat die Aufgabe übernommen, Diabolus zu suchen. Vielleicht wittert der Hengst seine Fuchsstute und ist so leichter einzufangen.“
„Diabolus irrt allein da draußen im Wald umher?“ Adelheid sprang auf. „Ich muss hinaus! Es wird bald dunkel und Wölfe könnten ihn
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