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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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enttäuschen würde.
    Ich kleidete mich an und ging hinunter in den Speisesaal, wo ich den Baron vorfand, der dort Pflaumenkuchen aß und Kaffee trank. Nachdem diese Stärkungsmittel auch mir gereicht worden waren und mich ein wenig belebt hatten, berichtete ich ihm von dem Inhalt meines Gesprächs mit Capitaine Beck.
    Er sagte sofort: »Ich fürchte eine Falle, Merivel. Die Geschichte erscheint mir für einen Mann des Militärs zu fantastisch und ausgefallen. Ich glaube, es geht den beiden nur darum, dass Ihr Euch an Eure Zusage zu dem Duell haltet.«
    »Das mag sein, Baron. Capitaine Beck wirkte jedoch sehr bekümmert wegen des Obersten, fast als spürte er dessen Leid im eigenen Körper. Es fällt mir schwer, das, was er sagt, nicht zu glauben.«
    Der Baron nahm einen Schluck Kaffee. Dann sagte er: »Ich werde heute Morgen mit dem Vorschlag, den ich Euch gestern Abend unterbreitete, zu de Flamanville gehen. Vielleicht nimmt er ihn an. Falls er das tut, werden wir wissen, dass all das Gerede von Verzweiflung und Selbstmord nur eine List ist, um Euch eine sichere Hinrichtung zu bescheren. Und er wird, frei von den Zwängen der Ehe und mit genügend Geld, um sein Herz anderwärts zu beglücken, höchst zufrieden bis ans Ende seiner Tage leben. Er wird selbstverständlich von mir das Haus in Paris erhalten, auch wenn ich nicht glaube, dass Louise davon sehr angetan sein wird.«
    Vor meinem inneren Auge erschien, bei dem Gedanken an dieses Haus, das grässliche Bild von der Schwester des Oberst, Mademoiselle Corinne, mit einem Stückchen Pastinake am Kinn, die mich aus ihrem zahnlosen Mund anschrie und ihre traurigen Abende mit dem Ausschneiden von Scherenschnitten aus schwarzem Papier verbrachte.
    »Nein«, sagte ich. »Davon wird sie nicht angetan sein.«
    »Und Ihr könnt mit Louise auf Euren Besitzungen in England leben. Es ist doch sicher Platz für ein Laboratorium auf Eurem Grundstück?«
    Ich blickte beunruhigt auf die Reste meines Obstkuchens. Ich wusste, was diese Frage bedeutete. Der Baron sah meine Verlegenheit, beugte sich zu mir herüber und sagte freundlich: »Auch wenn ich Euch bewundere, Sir Robert, und es keinesfalls gern sähe, wenn Ihr umgebracht würdet, ich tue dies für Louise. Es sollte uns beiden klar sein, worum es hier geht. Wenn Ihr nicht versprechen könnt, dass Ihr sie heiraten werdet, müsst Ihr es mir jetzt sagen. Dann werdet Ihr Euer Glück im Duell versuchen müssen.«
    Es folgte ein längeres Schweigen. Mit seinen klaren Haselnussaugen beobachtete der Baron, wie ich mit den Worten kämpfte, die, wie wir beide wussten, mein Leben ändern würden. Ich wusste, dass ich auf einem Felssporn saß, und zu beiden Seiten gähnte der Abgrund. Mein Schwindelgefühl war beängstigend. Ich hätte mich am liebsten dorthin zurückgezogen, wo ich einst sicher gewesen war, wusste aber, dass das unmöglich war. Zu meinem eigenen Verdruss hörte ich mich stammeln: »Es ist genügend Platz für ein Laboratorium auf Bidnold.«
    Ich sah Louise lange hinterher, wie sie im Garten auf und ab schritt. Dann begab ich mich in die Bibliothek, als hätte ich vor, an meinen Betrachtungen zu arbeiten, und ging sogar so weit, meine Notizen und Schreibfedern bereitzulegen. Doch ich wusste, jetzt war nicht die Zeit zum Arbeiten. Ich saß nur am Tisch, fühlte mich matt und verfroren und starrte an die Wand.
    Ich sehnte mich danach, wieder jung zu sein – auf dem Fluss zu rudern, mit Rosie Pierpoint zu tändeln, mit Pearce zu angeln, für den wieder eingesetzten König den Narren zu spielen, bis er dann mein Schicksal veränderte. Kurzum, ich sehnte mich danach, ein freier Mann zu sein.
    Doch ich war nicht frei. Ich würde entweder am nächsten Morgen sterben oder meiner Verpflichtung, Louise de Flamanville zu heiraten, nachkommen müssen.
    Ich sagte mir, viele Männer würden mich um solch eine Gemahlin beneiden. Sie würden Louises leidenschaftliche Liebe zu mir sehen und sie auch gern als Bettgenossin haben, aber Louise würde sie zurückweisen. Und dann würden diese Männer mich von Neuem anschauen und sich fragen, mit welcher List ich Louise nur so stark an mich zu binden verstand. Ihre Hochachtung wüchse.
    Darüber hinaus und ungemein wichtig: Ich würde reich sein. Louise würde eine großzügige Mitgift erhalten. Es gäbe kein Alter im Elend für mich. Es gäbe keinen Tod aus Armut für mich. Ich würde für Will sorgen können. Ich würde meiner Tochter, wenn sie heiratete, eine prächtige Hochzeit

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