Adieu, Sir Merivel
eine letzte Aufgabe erwartete: Ich musste erneut an Will schreiben.
Lieber Will, schrieb ich,
ich bin kürzlich nach Whitehall gekommen, weil der König, der sich ein wenig unwohl fühlt, um meine Rückkehr aus der Schweiz bat. Ich werde Seine Majestät morgen sehen und bete darum, dass seine Unpässlichkeit nur vorübergehend ist und rasch verschwinden wird.
Sobald er wieder wohlauf ist, werde ich nach Bidnold zurückkehren. Ich bin ein wenig besorgt, weil ich nichts von Dir gehört habe, Will. Bitte schreib mir hierher, um mich zu beruhigen, dass alles in Norfolk seinen ruhigen Gang geht, ohne Missgeschicke oder Katastrophen.
Miss Margaret ist wohlauf, und ihre Stellung bei der Herzogin von Portsmouth gefällt ihr sehr. Es gibt einige Neuigkeiten, die ihre Zukunft betreffen und von denen ich Dir gern berichten werde, wenn wir uns demnächst auf Bidnold wiedersehen.
Unterdessen verbleibe ich
Dein Dir zugeneigter Dienstherr und Freund
Sir R. Merivel
31
Der folgende Morgen begann kalt, aber hell und mit einer strahlenden Sonne.
Auf Fubbsys Drängen hin begab ich mich, sobald ich gefrühstückt hatte, in die Gemächer des Königs und fand ihn am Fenster stehend, wie er in den strahlenden Tag hinausblickte. Als er sich umdrehte und mich sah, rief er: »Merivel! Ich träumte, du wärst unter einem Schweizer Gletscher begraben. Dein so geliebtes Gesicht lag vollkommen zerquetscht unter Bergen von Eis, und du konntest mich nicht hören.«
»Nun, zum Glück bin ich keineswegs erfroren, Eure Majestät, sondern stehe hier vor Euch und kann Euch sehr gut hören.«
Der König, der sehr blass aussah, hinkte mir entgegen, umarmte mich und setzte einen schmatzenden Kuss auf meine Wange. Mit uns in seinem Raum war auch Thomas, Lord Bruce, einer der Kammerherren des Königs, der mir gegenüber stets sehr zuvorkommend gewesen war. Er sagte: »Nun, da Ihr hier seid, um Seine Majestät zu erheitern, Sir Robert, wird er gewiss bald wieder bei guter Gesundheit sein.«
»Bruce und ich wollten gerade zu einer Ausfahrt aufbrechen«, sagte der König, »und uns die neuen Flamingos im Park ansehen, doch Bruce wird nichts dagegen haben, nicht wahr, Thomas, wenn Merivel mich stattdessen begleitet?«
»Nein, Sire«, sagte Bruce. »Ganz und gar nicht. Aber ich rate Euch, bleibt nicht zu lange draußen und legt Euch einen Pelz über die Knie.«
Eine Ausfahrt allein mit dem König in einer seiner vielen Karossen war etwas, was ich nur selten gemacht hatte, undso konnte ich nur staunen, wie ich da plötzlich in Pelze gehüllt im Wagen saß und vier Schimmel uns durch den kalten, hellen Wintermorgen zogen.
Weil ich wusste, welch furchtbare Ängste die Krämpfe des Königs bei Fubbsy ausgelöst hatten, und weil ich sah, wie blass und müde er wirkte, konnte ich es nicht unterlassen, ihn nach seinem Befinden zu fragen. Ich hatte erwartet, er werde meine Frage leichthin übergehen, doch das tat er nicht. Er blickte hinaus zu den Menschen, die im Park lustwandelten, und sagte: »Ich möchte sie nicht verlassen, Merivel, all diese Menschen, die auf und ab spazieren und ihrer Wege gehen und gemeinsam dieses kostbare Gebilde England formen. Doch ich beginne zu glauben, dass meine Zeit gekommen ist. Dabei gibt es so vieles, was ungetan geblieben ist.«
Ich wusste nicht, was ich zu dieser traurigen Äußerung sagen sollte. Der König hatte niemals in seinem Leben einfach nur grundlos um Sympathie geworben, weshalb ich wusste, dass er das, was er sagte, auch glaubte. Und wenn er glaubte, dass er bald sterben würde, nun, dann wusste ich, dass ich es auch glauben musste. Und das machte mich für einen Moment sprachlos.
»Als meine Mutter noch lebte«, fuhr der König fort, »sagte sie zu mir, ich solle mich, bevor ich diese Welt verließe, zu ihrer Religion, zur römisch-katholischen Kirche, bekennen. Mein Bruder hat konvertiert, aber ich habe es nicht getan, Merivel. Ich habe es deshalb nicht getan, weil es politisch unklug gewesen wäre. Doch nun dürstet meine Seele plötzlich danach. Was soll ich tun?«
»Wenn Eure Seele danach dürstet, Sire, nun, dann meine ich, Ihr solltet einen Priester rufen und Euer Gelübde ablegen.«
»Fürwahr. Doch so einfach ist es nicht. Es würde einen Aufschrei geben, nicht nur von jedem Einzelnen im Kronrat, sondern weit darüber hinaus. Der König von England kann nicht nach Rom überwechseln, ohne dass es zu einemschlimmen kirchlichen und politischen Skandal führt. Die einzige Möglichkeit besteht in
Weitere Kostenlose Bücher