Adieu, Sir Merivel
so. Katharine und ich wurden in einem offenen Karren weggefahren.
»Ambrose«, sagte ich, indem ich seine Hand ergriff. »Ach, welch ein schöner Tag, an dem wir uns wiedersehen dürfen!«
Er nickte nur. Ich hatte den Eindruck, dass meine Erscheinung, mit den noch sichtbaren Spuren meines morgendlichen Kummers im Gesicht, ihn, siebzehn Jahre, nachdem er mich zum letzten Mal gesehen hatte, schockierte, und dass er deshalb nicht sprechen konnte.
»Ich habe Kuchen und Schokolade bestellt«, sagte ich. »Komm, Ambrose, setz dich ans Fenster, wo du einen hübschen Ausblick auf meinen Park hast, und lass uns über alte Zeiten sprechen.«
Ambrose zog ein fadenscheiniges Taschentuch aus einer seiner schwarzen Taschen und wischte sich die Augen. »Entschuldige bitte«, sagte er.
»Denk dir nichts dabei. Ich muss ständig weinen. Aber sag mir als Erstes, lieber Ambrose, was ist aus eurer Irrenanstalt geworden? Vor zehn Jahren fuhr ich mit meiner Tochter dorthin, weil ich wollte, dass ihr alle sie und sie euch kennenlernt. Doch der Ort war verlassen und verfallen.«
»Es ist traurig, dass du ihn so sahst.«
»Ich ging zum Grab von John Pearce und beseitigte das Brombeergestrüpp, das meine Augen beleidigte. Ich sah auch die Überreste der Scheunen, wo eure Insassen ihr Dasein fristeten, doch überall blies nur der Wind hindurch. Mir schien, ihr wart da schon lange fort.«
Ambrose hatte unterdessen Platz genommen. Er formte mit den Händen unter seinem Kinn dieses typische Denkerdach und blickte nicht zu mir, sondern hinaus in den Sommermorgen.
»Ich wage es dir kaum zu sagen, Robert«, begann er. »Wir waren in all unserer Arbeit ganz auf die barmherzigen Gaben der Quäker angewiesen. Und es scheint, dass der Geist der Barmherzigkeit in England im Laufe der Jahre geschwunden ist und jeder nur noch für sich selbst sorgt. Wir wurden also sehr arm und konnten keine verzweifelten Menschen mehr in unsere Obhut nehmen.
Wir konnten kaum die ernähren, die schon bei uns lebten, und auch uns selbst nur kärglich. Wir mussten auf das zurückgreifen, was die Natur uns bot. Daniel ging jeden Morgen mit dem Netz hinaus, um Lerchen zu fangen, wenn sie mit ihrem Gesang anhuben. Wir aßen gemahlene Eicheln und in Milch eingeweichtes Gras …«
In diesem Moment betrat einer meiner makellos livrierten Lakaien die Bibliothek und brachte uns einen Krug mit dampfender Schokolade und einige große Stücke Früchtekuchen.
Ambrose verstummte und starrte Getränk und Kuchen an, als hätte er eine Schatulle mit Juwelen vor sich. Er schien den Faden verloren zu haben, so groß war sein Erstaunen.
Ich wies den Lakaien an, meinen Gast mit Kuchen und Schokolade zu versorgen, und erst als Ambrose ein großes Stück Kuchen verzehrt und einen kräftigen Schluck Schokolade getrunken hatte, fuhr er fort mit seiner Geschichte.
Er erzählte, dass die Quäker-Pfleger und die Kranken mehr als ein Jahr von »wilden Vögeln und kleinem Wurzelgemüse, das wir anbauen konnten«, gelebt hätten, doch in Wahrheit hätten sie gehungert.
Schließlich mussten sie die Kranken – jene, die den Hunger überlebt hatten – zusammenrufen und ihnen mitteilen, dass die Whittlesea-Irrenanstalt ihre Tore vor Beginn des nächsten Winters schließen werde. »Das waren bittere Nachrichten«, sagte Ambrose, »und allesamt starrten sie uns hilflos an, denn wir waren ihre Beschützer gewesen, und sie dachten, unser Schutz würde ewig währen, doch das war nicht möglich.«
Die Quäker halfen den verzweifelten Menschen, Briefe an ihre Familien zu schreiben, in denen sie baten, wieder nach Hause zu dürfen. »Doch es gab drei Männer und zwei Frauen«, sagte Ambrose, »die keine Familie hatten oder sich nicht an sie erinnern konnten oder deren Familie sie nicht wieder aufnehmen wollte. Was sollten wir also mit ihnen machen?«
»Das weiß ich nicht, Ambrose …«
»Wir baten das Arbeitshaus in Marsh, sie aufzunehmen, aber es weigerte sich.«
»Obwohl sie arbeiten konnten?«
»Das konnten sie eben nicht. Und fast waren wir schon entschlossen, sie in unserer Verzweiflung auf die Straße zum Betteln zu schicken. Aber es war Daniel, der uns davor bewahrte und ein Unterkommen für sie fand.«
»Der gute Daniel. Er war noch ein Knabe, als ich in Whittlesea war. Erzähl mir, was er für sie fand?«
»Es war in Cambridge. Er kannte dort einen Mann, der mit einer Tierschau auftrat: mit Elefanten, Hunden und einem Tiger aus Indien. Und diesen Schausteller suchte er auf, und er
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