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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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noch rauskriegt aus dir oder nicht.
    WER, brülle ich, aus mir WAS?
    Er packt mich am Arm, zerrt mich in den Hauseingang und schließt die Tür.
    Er hat Glück, sagt er, dass mein Vater nicht da ist.
    Wölfe, Tiger, Adler, sage ich versonnen. Jeder in seiner Ecke.
    Genau, sagt er. Und jetzt ist es mal wieder gut. Ich weiß schon, dass ich ihm einen Gefallen schulde, dafür braucht es die Show hier nicht. Er kriegt jetzt seinen privaten verkaufsoffenen Dienstag, okay?
    Mit beiden Händen halte ich mir die Nase zu, ich kriege eine Niesattacke, wer drei Mal niest, ist verliebt, ich niese mindestens zehnmal. Als ich fertig bin, kann ich mich nicht mehr erinnern, was ich eben so unbedingt von ihm wissen wollte, aber dafür fällt mir wieder ein, warum ich ursprünglich hierher gekommen bin. Nämlich um Jessie ein Geschenk zu kaufen. Seit Ewigkeiten habe ich nichts so Schönes vorgehabt, etwas, worauf ich mich wirklich freuen kann. Ich habe das Gefühl, dass Jessie mir von irgendwoher zusieht, wie ich hier im Hausflur der Galerie herumlungere mitten in der Nacht, und sie lacht schrill, schüttelt den Kopf und flüstert: Cooper, du hast immer so verrückte Einfälle.
    Okay, sage ich. Draußen auf der Straße steht umgerechnet eine Million Schilling in drei verschiedenen Währungen, könntest du die mal reinholen?
    Er geht und holt den Karton und trägt ihn vor mir her, wir betreten die Galerie durch den Personaleingang, »TAVIRP« steht an der Glasscheibe der Tür. Ich schlendere hinein, lässig, ein besonderer Freund des Hauses, der mitten in der Nacht zum Bilderkaufen kommen kann. Und dann sehe ich die Statue.
    Oh Scheiße, sage ich, ich habe vergessen, dass der auch hier ist.
    Schön oder, sagt Tom.
    Er stellt den Karton auf den Kassentisch, lehnt sich dagegen und schiebt die Hände in die Taschen. Es ist düster, nur durch die großen Schaufenster an der Frontseite fällt gelbliches Licht von den Straßenlaternen. Das Aroma irgendeines Duftöls hängt in der Luft, wahrscheinlich brennen sie Moschus ab, um die Kauflaune der Kunden zu fördern. Die Statue in der Raummitte zieht das spärliche Licht auf sich, sie zieht auch den Blick auf sich, überhaupt scheint alles nur um sie herum angeordnet zu sein. Für ihn ist also alles beim Alten.
    Ich gehe dicht heran, er sieht unglaublich echt aus. Wenn er nicht durchsichtig wäre wie Wasser, könnte mich nichts davon überzeugen, dass er nicht am Leben ist. Er steht da wie eh und je, den Kopf leicht vorgeneigt, als würde er auf etwas lauschen, das sich unter seinen Füßen abspielt. Die Glatze steht ihm.
    Soll ich das Licht anmachen, fragt Tom.
    Nee danke, sage ich, bloß nicht. Mir reicht’s so schon.
    Ich erkenne die Narbe seitlich an seinem Knie, da ist er mal nach einem Bänderriss operiert worden.
    Falls er ihn haben will, sagt Tom, die Kohle, die er mitgebracht hat, dürfte gerade reichen.
    Ich hatte fest vorgehabt, für Jessie eines der Bilder zu kaufen, »Kings and Planets« oder »Fu liebt Fula«, und ich weiß, wie sehr sie sich darüber gefreut hätte. Aber das hier eröffnet eine völlig neue Dimension. Ich frage mich, ob sie ihn gewollt hätte, einen gläsernen Shershah, als Trophäe, als Andenken, als Denkmal, als Grabengel über ihrer eigenen Ruhestätte, um ihn zerstören oder ab und zu umarmen zu können – ich strenge mich an, ich male mir aus, sie stände jetzt neben mir und sähe ihn mit eigenen Augen, und ich habe keine Ahnung, wie sie reagieren würde. Das erschreckt mich. Ich war mir sicher, sie zu kennen, besser als jeder andere, weil ich doch eigentlich nie etwas von ihr gewollt habe, und jetzt kann ich eine so wichtige und so einfache Frage nicht beantworten. Ich wende mich ab, sein Anblick macht mich fertig.
    Habt ihr diese Bilder noch, frage ich, mit Frauen, die wie Ameisen aussehen?
    Nur die großen, sagt er, die kleinen verkaufen sich wie warme Semmeln.
    Er zeigt auf drei quadratische Gemälde in der hintersten Ecke des Raums, und da sind sie, alle drei, als hätte man sie extra für Jessie zwei Jahre lang aufbewahrt. Das gibt den Ausschlag.
    Was kosten die?, frage ich.
    Vergleichsweise nicht der Rede wert, sagt Tom, jedes dreihunderttausend.
    Wenn ich alle drei nehme, sage ich, kann ich dann das ganze Geld hier lassen?
    Kein Problem, sagt er.
    Ich weiß, dass mein Entschluss nur auf dem Wunsch beruht, dass Jessie selbst sich zugunsten der Bilder und gegen die Statue entschieden hätte. Sofort beginnt das quälende Gefühl an mir zu nagen, dass

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