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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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zwischen den Kachelwänden, die Sicht durch die Scheiben der Duschkabine ist kurz, als würde ich gerade mit einem Flugzeug die Wolkendecke durchbrechen.
    Das Badezimmer ist nicht mein eigenes. Duschgel nehme ich in großen Mengen aus einer glatten roten Plastikflasche, von der das Etikett abgelöst ist. Es hat einen Herrenduft. Auf dem Badewannenrand steht eine Skyline aus Kosmetikartikeln und überall fehlen die Etiketten. Ich habe ein paar Deckel abgeschraubt und am Inhalt gerochen. Alles Frauenkram, und alles ist parfümiert mit dem Aroma von Essbarem: Vanille, Pfirsich, Apfel, Kokosnuss, Kiwi, Erdbeere.
    Ich frage mich, ob das eine Herrenduschgel für einen festen Freund bereitsteht. Ich stelle mir vor, wie sie abends nebeneinander auf dem Badewannenrand sitzen und gemeinsam mit den Fingernägeln Aufkleber von Shampooflaschen kratzen.
    Beim Bohren in der Nase kriege ich einen festen Rotzklumpen zu fassen, an dem ein langer Schleimfaden befestigt ist; er lässt sich zehn Zentimeter weit herausziehen, an manchen Stellen ist er blutrot, dann reißt ihn mir das Duschwasser vom Finger. Er verschwindet wirbelnd im Ausguss. Mit Sicherheit hat sie keinen festen Freund. Er wäre längst bei mir vorbeigekommen um mich zu verprügeln, es sei denn er ist Intellektueller, was aber nicht zu ihr passt. Also benutzt sie das Männerduschgel selbst, oder sie hat es für mich gekauft. Ich drehe das Wasser noch ein bisschen heißer. Alles was ich bin, befindet sich jetzt dicht unter der Haut, alles strömt nach außen, auf den betäubenden Schmerz zu, den das heiße Wasser erzeugt und der mich komplett umgibt wie ein Ganzkörperkleidungsstück. Für einen Moment freue ich mich, dass ich überhaupt weiß, in wessen Badezimmer ich mich befinde, und ich freue mich aufs kalte Abduschen. Wahrscheinlich hat sie mir Alkohol gegeben, ich weiß es nicht mehr. Wenigstens kann ich sicher sein, sie nicht gevögelt zu haben. Ich kriege seit Wochen keinen mehr hoch, darauf kann ich mich verlassen.
    Der Dampf beschlägt nicht nur den Spiegel, sondern auch die Kacheln, das Waschbecken, die Kloschüssel und sämtliche Plastikflaschen. Die obersten Schichten der Klorolle beginnen sich zu wellen. Alles ist wunderbar.
    Dann fällt mir der Hund ein. Ich kann mich nicht erinnern, wo ich ihn zuletzt gesehen und wo gelassen habe. Einen Moment stehe ich stocksteif, Wasser läuft mir in den Mund. Ich spucke aus, glitsche aus der Dusche und reiße die Tür auf. Eine ungeheure Dampfwolke wallt hinaus. Den Flur sehe ich zum ersten Mal bewusst. Er ist mit hellem Teppichboden ausgelegt, es sieht alles nach einer elternfinanzierten Ikea-Wohnung aus. Vier weiß furnierte Türen, alle geschlossen.
    CLARA!!!, brülle ich.
    Eine der Türen öffnet sich, Clara steckt den Kopf heraus, und da ist auch Jacques Chirac mit einem langen Speichelfaden an der linken Lefze.
    Ich trockne mich ab und bin in der gleichen Sekunde wieder nass von Schweiß und Dampf. Die Unterwäsche kann ich nicht noch einmal anziehen, also steige ich nackt in die Hose und klemme mir ein paar Schamhaare in den Reißverschluss. Das Hemd klebt an Rücken und Armen, lässt sich nicht geradeziehen, ich knöpfe es zweimal falsch zu und fluche.
    Woher hast du das Vieh eigentlich, fragt Clara.
    Ihre Stimme erschreckt mich, ganz dicht hinter der Tür, kaum gedämpft durch das Holz.
    Ich nehme mal deine Zahnbürste, sage ich.
    Warum heißt er denn Jacques Chirac, fragt Clara.
    Jessie hat ihn so genannt, sage ich undeutlich.
    Und beiße mir im gleichen Moment auf die Lippen, denn auf der anderen Seite der Tür wird es ganz still, und dann bricht der Jubel los.
    Aha aha aha, ruft sie, jetzt weiß ich, wie sie hi-hieß, jetzt weiß ich wie sie hi-hieß.
    Ich habe die Zahnbürste im Gesicht stecken und Schaum vor dem Mund, in dem Zustand kann ich das Bad nicht verlassen.
    Das hättest du mich auch fragen können, sage ich schwach.
    Und du hättest mir wieder eine reingehauen, sagt sie.
    Stimmt genau, sage ich.
    Warum ist Jacques Chirac denn so groß, fragt sie.
    Wahrscheinlich wollte er so lange weiterwachsen, sage ich, bis er Jessie geradeaus ins Gesicht blicken kann. Er liebte es, sie anzusehen.
    Ich spüle den Mund aus und fahre mit den Fingern durch die Haare. Mit einem der Lippenstifte schreibe ich auf den Spiegel über dem Waschbecken: Objects in the mirror appear further than they are. Die Tür geht auf und der Hund drängt herein, um mich zu begrüßen. Clara quetscht zum Spaß ihr Gesicht zwischen Tür

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