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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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affektiert.
    Hach wie süß, sage ich.
    Ich bin nicht so ein Desperado wie der Herr Rechtsanwalt!
    Sie ruft es mir nach in den Flur. Es ist völlig unklar, woher sie meinen Beruf kennt. Vielleicht hat sie Nachforschungen angestellt, aber anscheinend nicht gründlich genug. Nicht jeder Jurist ist gleich ein Anwalt.
    Im Flur befindet sich nichts außer dem Teppichboden, keine Garderobe, kein Paar Schuhe, auch kein Telephon; dafür eine Menge weiß furnierter, verschlossener Türen für eine so kleine Wohnung. Außer der Küche noch Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer und die Eingangstür, tippe ich.
    Und wo sind alle meine Jacken, rufe ich dann.
    Sie geht lachend an mir vorbei. Ein Heimspiel. Sie öffnet diejenige der vier Türen, hinter der ich den Ausgang vermutet hätte. Es ist das Schlafzimmer. Zwölf Quadratmeter, das Bett für eine Person geschnitten und aus hellem Holz, der Schrank passt dazu, und die Jalousie ist aus Baumwolle und sonnengelb. Die Bettwäsche gelb-weiß gestreift. Genau dieses Gelb war Jessies Lieblingsfarbe. Ich stöhne auf.
    Kopfschmerzen, fragt sie.
    Nein, Ikea, sage ich, wohl dein Mädchenzimmer von zu Hause?
    Stell dir ruhig Umstände vor, die es dir leichter machen, sagt sie.
    Sie fasst meine Plastiktüte an den unteren beiden Zipfeln und schüttet den Inhalt auf den Teppich: drei zerknitterte Anzugjacken, keine Hose, keine Unterwäsche oder Socken zum Wechseln. Noch sinnloser hätte ich wirklich nicht packen können. Das Säckchen mit dem Pulver findet Clara auf Anhieb.
    Du bist bestens informiert, sage ich.
    Sie trägt es in die Küche und legt es neben den DAT-Recorder.
    Ich muss noch mal weg für ein paar Stunden, sagt sie, viel Spaß inzwischen.
    Mit einem feuchten Tuch wischt sie die Anrichte ab. Ich bin nicht ganz sicher, ob es draußen heller oder dunkler wird.
    Ist es Morgen oder Abend, frage ich.
    Sie schaut mich verächtlich an, zieht ihre engen Jeans zurecht und wirft die Haare nach hinten.
    Tschüs, sagt sie.
    Als sie weg ist, sniefe ich die erste Ladung Koks seit mindestens fünf Tagen vom Küchentisch. Ein Feuerwerk explodiert in meinem Kopf, die pharmakologische Wiederherstellung meiner Persönlichkeit nimmt ihren Anfang. Ich schaue mich um und mein Bauch füllt sich mit Freude. Die Gegenstände im Raum stehen exakt am richtigen Platz, sie veranschaulichen dabei den Sinn der Weltordnung, in der auch ich meine Stelle einnehme, in der alles seinen Platz hat, sogar Jessies Tod und eine Nervensäge wie Clara. In der alles durchschaubar ist, sofern man intelligent genug ist, es zu durchschauen. Was ich bin.
    Deshalb werde ich mich jetzt zusammenreißen. Und abhauen. Vielleicht nach Guatemala. Ich stehe auf und fege die Kaffeetasse vom Tisch, der Inhalt spritzt über den Boden. Lässig und ohne aus dem Tritt zu kommen greife ich meine Jacken vom Schlafzimmerboden und drücke die Klinke der Wohnungstür. Es ist das Badezimmer. Dann erkenne ich den richtigen Ausgang. Ich probiere es dreimal. Es darf nicht wahr sein. Sie hat abgeschlossen.
    Im Wohnzimmer fällt als erstes ein gut zwei Meter breites Regal ins Auge, dessen Fächer bis obenhin angefüllt sind mit Schallplatten und CDs, ich kann nicht schätzen, wie viele es sind, sie müssen Tonnen wiegen. Vielleicht ist Spießigkeit doch nicht der einzige Grund, weshalb Clara in einer Neubauwohnung lebt. In einer Zeitungsnotiz las ich über einen DJ, der in einem alten Haus mitsamt seiner Plattensammlung durch den Fußboden gebrochen ist. Wahllos ziehe ich ein paar Platten aus dem Regal, auf jeder klebt ein handgeschriebener Zettel mit einer Jahreszahl und einer Angabe der beats per minute : 70, 45, 210.
    Irgendetwas stört mich, ein Fleck, den ich ständig aus dem Augenwinkel sehe. Es ist eine aufgeschlagene Zeitung auf dem Schreibtisch, und bevor ich mich abwenden kann, erkenne ich, über eine Entfernung von drei Metern hinweg, den Mann auf dem Photo.
    Ich lasse die Schallplatte fallen und gehe zum Tisch.
    »Marc Bell, britischer Balkankorrespondent, trifft Zeljko Raznatovic in London. Der serbische Volksheld leugnet die Existenz der paramilitärischen ›Tigers‹«.
    Raznatovic, das ist Arkan. Genannt »der Säuberer«. Ein schönes Bild von ihm, rundum gesund und glücklich sieht er aus, mit einem breiten Lächeln auf dem Ferkelgesicht. Ich weiß, wie sehr er Medienauftritte liebt, besonders im Westen, im Lager seiner Feinde. Es ärgert mich maßlos, dass sie Platz finden, diesen grinsenden Wahnsinnigen großformatig abzubilden, aber

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