Adler und Engel (German Edition)
Stimme von dort gehört zu haben, und es überraschte mich selbst, mit welchem Widerwillen mich das erfüllte. Ich wollte nicht, dass er mit ihr schlief. Es kam mir vor wie etwas Perverses. Viel perverser als die Dinge, die er sonst unternahm. Es gab viele Iraner auf der Schule und im Spaß sagten wir: Perverser Perser.
Oh!, rief eine Mädchenstimme, nur einen! Nur einen!
Es war nicht Jessies Stimme, und ich entspannte mich. Die Stimme klang hoch und affektiert; das war auch keine von der Klosterinsel. Es gab einen bestimmten Typ sehr junger Mädchen, die von ihren reichen Eltern vom Düsseldorfer Kinderstrich weggeholt und auf unser Internat gesteckt wurden. Sie wurden entzogen, und danach langweilten sie sich.
Das Mädchen begann theatralisch zu stöhnen. Shershah schlug die Bettdecke zurück und drehte sich so, dass ich seine Hand zwischen ihren Beinen sehen konnte. Sie fing an mit Fick mich, Fick mich, Tiefer, Schneller, Mehr und so weiter. Es war lächerlich, aber mir ging trotzdem einer ab, und zwar schon bevor sie fertig waren. Shershah warf sie raus.
Wie war’s für dich, fragte er lachend.
Wir rauchten einen Joint zusammen und er erzählte mir irgendwas von Bakunin und von seinen linksradikalen Freunden aus dem Vorort. Ich konnte mich nicht wach halten und schlief ein, während er noch redete.
Während des Sprechens habe ich nicht gemerkt, wie mir übel geworden ist. Jetzt steht es mir im Hals, und ich weiß, es kommt daher, wie ich Clara beim Reden ins Gesicht gesehen habe.
Komm, ich helfe dir, sagt sie.
Sie geht um den Tisch herum und stützt mich, sie bringt mich ins Bad. Ich kotze ihre Badewanne voll. Es wird sie einige Mühe kosten, den Abfluss wieder frei zu kriegen.
7 Gelb-rot-blau
D er Tisch ist eigentlich zu hoch, um die Beine darauf abzulegen. Nichts wirkt schlimmer als missglückte Lässigkeit. Ich ignoriere diesen Umstand und auch die Tatsache, dass meine Hosenbeine nach oben rutschen und jeweils einen hellen, fast weißen und von schwarzen Härchen gesprenkelten Hautstreifen zwischen Aufschlag und Sockenbündchen freilegen. Als ich mit dem Zeigefinger unter ein Bündchen fahre, beginnt der Abdruck der Socke darunter fürchterlich zu jucken. Das geriffelte Stück Haut fühlt sich an wie das Rillenmuster am Rand der Tischplatte meines Schreibtischs. Es ist ein antiker Tisch mit einer Lederfläche in der Mitte, leuchtend grün und rechteckig wie ein Tennisrasen. Das Leder wird von Messingknöpfen an den Rändern gesäumt und festgehalten. Die vorderen sind blank gewetzt, weil ich mir angewöhnt habe, mit den Fingern darüber zu fahren. Auch das Rillenmuster habe ich immer betastet; ich weiß nicht, ob ich dabei an ein Stück Haut dachte, in dem das Sockenbündchen seinen Abdruck hinterlassen hat.
Je enthusiastischer ich kratze, desto schlimmer juckt es. Meinen Schreibtisch habe ich seit mehr als zwei Monaten nicht gesehen, er steht im Arbeitszimmer. In diesem Moment vermisse ich ihn. Er hat die richtige Höhe. Die Linoleumtischplatte unter meinen Fersen ist zu hoch, zu glatt und mit einem hässlichen grauen Muster überzogen.
Ich nehme die andere Hand für das andere Bein und widerstehe gerade noch dem Bedürfnis, die Augen zu schließen und zu stöhnen. Der Techniker sieht mich unentwegt an.
Hat er ein Problem oder was, fragt er.
Der Akzent ist unverkennbar. Bevor ich das Gebäude des Senders betreten habe, bin ich die Reihen der parkenden Autos auf dem Platz abgegangen. Das froschgrüne war dabei.
Ruhe jetzt, Soundprobe, sagt er, als ich gerade antworten will.
Er legt den Finger an die Lippen und wendet sich seinem Mischpult zu. Ich höre auf zu kratzen, lehne mich zurück und stelle eine bequeme Lage her, indem ich auf den hinteren Stuhlbeinen weit zurückkippe. Als ich eine Zigarette anzünde, macht der Techniker große runde Augen und fängt wild zu gestikulieren an. »Rauchen verboten« formt er mit den Lippen. Ich blase noch eine Weile Rauch in seine Richtung, schnippe die Asche auf meinen Oberschenkel und verreibe sie im Stoff der Hose. Dann drücke ich die Kippe aus und werfe sie ihm zu. Er fängt sie aus der Luft, bevor sie in den Ritzen zwischen den Schiebern auf seinem Pult verschwinden kann.
Auf seinem Kopf befindet sich etwas, das wie ein Vogelnest aussieht, aber wahrscheinlich eine Frisur ist. Seinen Kiefer säumt eine dünne Borte Bart, unter dem Kinn zu einer langen Spitze auslaufend, die sich beim Sprechen sträubt und schräg nach vorn richtet, so dass das
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