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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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Versuchsanordnung und ich ein freilaufender Affe, der sich angewöhnt hat, seine Forscherin genauer zu studieren als sie ihn. Ich lasse mich auf den Boden fallen und schiebe mich, auf dem Rücken liegend, wie ein Mechaniker unter ihren Stuhl und rutsche so weit unter den Tisch, bis ich ihr mit angehobenem Kopf zwischen die Beine schauen kann. Es gibt nicht viel zu sehen. Eine ihrer langweiligen Baumwollunterhosen, die roten Abdrücke der Stuhlkante auf ihren Schenkeln, die vage Abzeichnung der Falten ihres Geschlechts unter dem Stoff. Nichts davon interessiert mich.
    Pass mal auf, sagt sie, es gibt ein Problem.
    Die Stuhlbeine halten links und rechts meinen Brustkorb umklammert, ich kann nicht aufstehen.
    Der Prof mag dein Zeug nicht, sagt sie.
    Was für ein Zeug, keuche ich, was für ein Prof?
    Er sagte nicht warum, immer nur: Das ist es nicht, das ist es nicht. Wahrscheinlich zweifelt er an deiner Psychose. Es gibt genug Simulanten.
    Sie schweigt abwartend, vielleicht soll ich in Tränen ausbrechen. Draußen blitzt es plötzlich, der bläulich flackernde Widerschein reicht bis zu mir unter den Schreibtisch. Es ist ruhig. Sogar die Vögel halten endlich mal die Klappe. Seltsamerweise findet auch kein Straßenverkehr mehr statt in den Minuten vor einem Gewitter, auch kein Wind und keine Telephonanrufe.
    Hörst du zu?, fragt Clara.
    Ja, sage ich.
    Und was denkst du dazu, fragt Clara.
    Endlich hört sie mit dem Tippen auf. Als sie aufsteht, werfe ich den Stuhl um und krieche unter dem Tisch hervor.
    Was ich DENKE, frage ich, drehst du jetzt durch?
    In der Küche schleckt Jacques Chirac seine Schüssel aus und schiebt sie dabei mit der Zunge über den Boden. Das Plastik erzeugt auf den Porzellankacheln ein knirschendes Geräusch, das mir Gänsehaut verursacht.
    Du willst, dass ich irgendeinen Scheiß auf deine Bänder quatsche, sage ich, und das mache ich. Damit gut.
    Aber wenn der Prof es nicht akzeptiert, sagt sie, brauche ich auch nicht weiterzumachen.
    Ich stelle mich ans Fenster. Wetterleuchten, und der niedrige Himmel mit der Stadt darin ist wie ein großer Bogen Bastelpappe in Hellblau und Rosa, aus dem man die Schablone einer Skyline ausgeschnitten hat. Die Zickzackspur des nächsten Blitzes bleibt unnatürlich lange stehen und verglüht; das kann auch an meinen zu weit geöffneten Pupillen liegen, durch die sich jedes Licht in die Netzhaut einbrennt. Der folgende Donner ist kaum zu glauben, er klingt, als wäre der ganze Himmel aus Holz und würde von einer riesigen Axt getroffen.
    Clara öffnet in der Küche das Fenster. Über ihren Monitor baut der Bildschirmschoner ein verzweigtes, dreidimensionales Röhrensystem. Ich finde die Dateien sofort, dipl.doc eins bis fünf und einmal max.doc, alles ordentlich in einem eigenen Verzeichnis abgelegt. Wollen Sie die sechs Objekte wirklich in den Papierkorb verschieben, aber ja doch, was denn sonst, ich bemühe mich, leise auf die Tasten zu drücken. Dann öffne ich den virtuellen Papierkorb, entferne auch dort alles, nehme die Tonbänder an mich und die Sicherheitsdiskette aus dem Laufwerk. Ich ziehe meine Hose an und telephoniere nach einem Taxi.
    Bis später, rufe ich vom Flur, ich lasse den Hund hier.
    Während ich unten auf das Taxi warte, fallen die ersten Tropfen und klatschen so heftig auf die Straße, dass ich einen Moment zweifele, ob es sich wirklich um Wasser handelt. Es könnten auch gallertartige kleine Tiere sein, die aus einem der oberen Stockwerke auf den Asphalt geschleudert werden und zerplatzen. Ich ziehe mich in den Hausflur zurück, presse den Kopf zwischen die gusseisernen Gitterstäbe am Fenster der Eingangstür, bis meine Stirn das kühle Glas berührt. Es beginnt zu stürmen. Hellgrüne Blätter wirbeln durch die Luft und werden vom Regen auf die Straße geklebt.
    Der Weg vom Taxi bis zu meiner Haustür genügt, um mich vollkommen durchnässen zu lassen. Es ist dunkel. Mein Briefkasten quillt über, ich nehme den gesamten Inhalt und werfe ihn unbesehen in eine der Mülltonnen unter der Treppe. Ich lausche eine Weile ins Treppenhaus, bevor ich hochsteige zu meiner Wohnung.
    Als ich versuche, den Schlüssel ins Schloss zu schieben, schwingt die Tür auf. Meine Hand krampft sich in der Jackentasche um einen Gegenstand. Es ist der bunte Kugelschreiber des Wieners, den ich in die Faust nehme und in Anschlag bringe wie ein Messer. Meine Augen wollen sich einfach nicht an die Dunkelheit gewöhnen; hinter der Lichtraute, die vom Treppenhaus durch den

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