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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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Türspalt ins Wohnungsinnere fällt, ist die Schwärze undurchdringlich.
    Ausgerechnet jetzt habe ich Jacques Chirac nicht dabei. Möglicherweise ist das die Situation, auf die Jessie und ich halb unbewusst zwei Jahre lang gewartet haben. Ein einziges Mal sprachen wir darüber, ganz am Anfang, unterwegs im Mietwagen von Wien nach Leipzig, irgendwo zwischen Passau und Hof. Jessie erlangte das Bewusstsein wieder, und ihre ersten Worte, die ich verstehen konnte, handelten von einem Hund.
    Ich wollte schon immer einen, sagte sie. Und ein Pony auch. Das kombiniere ich jetzt.
    Was, fragte ich, Hund und Pony?
    Genau, sagte sie.
    Weil ich die Stirn in Falten legte, streckte sie die Hand aus und berührte meinen Arm. Ihr Gesicht war blass, in Unordnung von der langen Ohnmacht und sehr ernst. Sie sah nicht kindlich aus, sondern mindestens so alt, wie sie war. Solche Momente waren selten. Sie verwirrten mich. Schräg rechts vorne spiegelte sich ihr Profil in der Windschutzscheibe.
    Weißt du, Cooper, sagte sie, dich wird Rufus schützen. Aber nicht mich. Mit einem großen Hund werde ich mich sicherer fühlen.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also schwieg ich.
    Das ist eine Regel im menschlichen Leben, sagte sie. Niemand auf der Welt kann dich beschützen, wenn dein eigener Vater hinter dir her ist. Vor allem bei einem Vater wie Herbert.
    Sie nickte vor sich hin und hörte nicht mehr damit auf. Ich legte ihr zwei Finger auf die Stirn und hielt sie vom Nicken ab.
    Ich passe auf dich auf, sagte ich, ich werde mehr auf dich achten als auf mich selbst.
    Du?, fragte sie.
    Das verletzte mich. Andererseits hatte sie natürlich recht. Ich war Jurist und nicht von Kindesbeinen an ein Krimineller wie ihr Vater. Und wie sie selbst. Ich gab mir einen Ruck.
    Jessie, sagte ich, in Wahrheit ist es genau andersherum. Man hat es mir erklärt. Sie werden MICH wegen DIR in Ruhe lassen. DU garantierst unsere Sicherheit.
    Dieses Geständnis kostete mich enorme Überwindung, aber sie schien gar nicht zu verstehen.
    Ich will einen Hund, sagte sie.
    Wir kauften eine Dogge, und auch wenn Jacques Chirac keine Killermaschine wurde, sondern ein verliebter Tölpel, sieht er immerhin beeindruckend aus, und wenn er jetzt bei mir wäre, könnte ich die Hand in seinen Nacken stützen und wir würden diese Wohnung gemeinsam betreten.
    Mit einem bestialisch lauten Knacken schaltet sich das Licht im Treppenhaus aus. Schemenhaft erkenne ich im Flur mein Telephonschränkchen, es liegt umgeworfen auf der Seite, ich sehe auch das Loch darunter, mit abgehobenem Deckel. Das Nächste, was aus der Dunkelheit auftaucht, ist die Arbeitszimmertür. Beide Türflügel stehen offen. Die Latten, mit denen sie vernagelt waren, hängen lose am Rahmen.
    Ich schiebe eine Hand in die Wohnung und drücke den Lichtschalter. Plötzlich interessiert mich nicht mehr, ob noch jemand hier ist oder nicht. Den Kugelschreiber lege ich auf den Telephonschrank, ich hole Luft und bin mit drei Sprüngen auf der Schwelle des Arbeitszimmers.
    Der Anblick ist nicht so schlimm, wie ich dachte. Vielleicht habe ich insgeheim erwartet, Jessies Körper noch auf den Dielen zu finden. Irgendwie hatte ich den Raum größer in Erinnerung, fast ist es, als käme ich an eine Stätte meiner Kindheit zurück. Alle Schubladen sind aus dem Schreibtisch gezogen und ausgeschüttet, sie lehnen leer an der Wand. Von meinem Computer ist nur noch der Monitor da. Drei Bodendielen sind aufgestemmt. Die Tür zum Schlafzimmer ist angelehnt.
    Im Grunde ist es mir gleichgültig, was sie mit dieser Wohnung machen, die ohnehin nicht mehr meine ist. Auch im Schlafzimmer ist der Boden an vielen Stellen aufgebrochen, mein Schrank liegt flach, der Inhalt über den Raum verteilt. Aber was ich nicht ertragen kann, ist der Anblick unseres Schlafplatzes: das Bettzeug heruntergerissen, die Doppelmatratze wie das Opfer eines Gemetzels von Messerstichen aufgeschlitzt, die Innereien zum Teil herausgezogen. Oben drauf liegt, ordentlich gefaltet wie zum Hohn, ein sonnengelber Schlafanzug.
    Etwas tickt. Das ist unser Wecker auf dem Nachttisch, er zeigt die richtige Zeit, und aus irgendeinem Grund ist die Tatsache, dass er einfach immer noch weiterläuft, schockierender als alles andere.
    Ich mache auf dem Absatz kehrt und renne los. Aus der Wohnung, im Dunkeln die Treppe hinunter, raus in den Regen.
    Jacques Chirac wartet hinter der Tür. Ich rufe. Ich rufe noch mal, sehr laut. Clara ist nicht da. Ich stehe lange im Flur.
    Die Fenster

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