Admiral Bolithos Erbe
endlich. »Setzen Sie die Leesegel. Wir wollen den Tidenstrom ausnutzen.« Mit einem Blick zu Bolitho fügte er hinzu: »Falls Sie einverstanden sind, Sir.«
»Gewiß. Im Augenblick ist Schnelligkeit für uns am wichtigsten.«
Und dann vergaß Bolitho die Rufe der Toppsgasten, die hoch oben die Leesegel ausbrachten, das Trommelfeuer der Befehle und Knirschen der Heißleinen, denn als das Schiff auf konvergierenden Kurs zur nächsten Landspitze einschwenkte, konnte er die ersten verankerten Landungsschiffe sehen. Kein Wunder, daß der Ausguck verblüfft gewesen war. Dort lagen Dutzende und Aberdutzende, manche Seite an Seite, andere – wahrscheinlich die Mörserboote oder Bombenwerfer – einzeln für sich: eine wahre Armada kleiner Landungsfahrzeuge. Nur zu leicht konnte Bolitho sich vorstellen, wie sie französische Dragoner und Infanteristen auf die Strande Südenglands spien.
»Vier Faden!« Der Lotgast holte die Leine so flink auf, daß sein muskulöser Arm im roten Abendsonnenschein kaum zu sehen war. Neale rief: »Steuerbordbatterie, Achtung!« Er sah, daß jeder Stückmeister seitlich die Hand hob, während dahinter die Offiziere weiter auf und ab marschierten, als wären sie Fremde.
Vor dem Hintergrund der in immer tiefere Schatten sinkenden Insel lagen die Rümpfe der neuen Leichter und Prähme so dicht beieinander, daß die Reede von einem überdimensionalen Floß bedeckt schien.
Bolitho starrte in die glühend rote Abendsonne. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern. Wenn nur
Sparrowhaw
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oder
Rapi
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hier gewesen wären! Aber für
Sty
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mußte es bald zu flach werden, und wenn die Fregatte nicht frei manövrieren konnte, würde sie höchstens zwei oder drei Landungsschiffe versenken oder beschädigen können.
»Wo ist die Yawl?« wollte er wissen.
»Steuerbord voraus, Sir«, antwortete Neale. »Wahrscheinlich will sie sich zwischen den Ankerliegern verkriechen, wenn sie es schafft.«
Bolitho kam zu einem Entschluß. »Die Stückmeister sollen auf die Yawl zielen. Die Mannschaft, welche sie als erste trifft, bekommt eine Guinea.«
Es gab nicht wenige, die sich über dieses Ziel wunderten, aber nach ein paar schnellen Korrekturen mit Handspaken und Taljen waren die Kanonen gerichtet, und die Stückmeister meldeten Feuerbereitschaft.
»Einzelfeuer!« Neale hob den geschwungenen Säbel hoch über den Kopf. »In der Aufwärtsbewegung – Feuer!«
Über die ganze Länge der Bordwand spuckte ein Kanonenrohr nach dem anderen Feuer und Rauch und ruckte auf seiner Lafette dann wieder nach innen. Die vordersten Kanonen wurden schon wieder ausgewischt und nachgeladen, während die achteren noch schossen.
Die Yawl hatte gerade wenden wollen, auf die verankerten Landungsboote zu. Jetzt schien sie unter dem Gewicht des Eisens förmlich einzustürzen, als die Fregatte ihre Doppelkugeln auf weniger als zwei Kabellängen Distanz abfeuerte.
Rund um die zerschmetterte Yawl war die Wasseroberfläche wie pockennarbig vom Einschlag der Kugeln und Wrackteile. Irgendwo auf dem Wrack flammte ein kleiner Lichtfunke auf, der sich sofort explosionsartig zu einem riesigen Feuerball vergrößerte. Die Ursache mochte ein Pulverfaß gewesen sein, in das ein Funke fiel, auch ein benommener Seemann, der im Zwischendeck mit einer Lampe in der Hand das Gleichgewicht verloren hatte – wer wollte das wissen?
Bundy stammelte: »Mein Gott, sie brennt wie Zunder!«
Bolitho versuchte, sich sein Mitleid für die Männer auf dem brennenden Schiff nicht anmerken zu lassen. Eine Doppelkugel hätte schon ausgereicht, sie zu versenken, aber diese Salve hatte sie in ein Flammenmeer verwandelt. In einen Brander.
Sachlich sagte er: »Das sollte die anderen aufscheuchen!«
Etwas durchschlug wie mit einer Riesenfaust das Großsegel und hinterließ ein Loch, so groß, daß ein Mann bequem hätte durchschlüpfen können. Also hatte eine dieser Feldhaubitzen das Feuer eröffnet.
Der Erste Offizier rief aufgeregt: »Sie kappen die Ankertrossen!«
Das weite Feld der verankerten oder vertäuten Boote brach schon auseinander, von Wind und Ebbstrom noch geschoben; jeder Skipper suchte verzweifelt, sich von den anderen freizuhalten und Segel zu setzen, koste es, was es wolle. Niemand scherte sich um den Nebenmann, Hauptsache, man nahm Fahrt auf und entkam dem Brander und dem Beschuß durch die feindliche Fregatte, die in voller Fahrt auf sie zugerauscht kam, obwohl sie nur wenige Fuß Wasser unterm Kiel haben konnte.
»Steuerbordbatterie –
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