Admiral Bolithos Erbe
Setzen Sie sich und versuchen Sie den Wein, den der Admiral mitgebracht hat. Er soll sehr gut sein.« »Gern, Sir«, antwortete Wolfe, »aber später. Im Augenblick bin ich an Deck noch nicht entbehrlich. Das Signal heiße ich um acht Glasen, Sir, dann bleibt noch reichlich Zeit.«
Vor der Kajüte wäre Wolfe fast über die winzige Gestalt von Ozzard gestolpert. Mein Gott, der Mann weinte ja! Offenbar wußte an Bord schon jeder Bescheid. Es war doch immer dasselbe: Bei der Navy ließ sich nichts geheimhalten.
Draußen im Sonnenschein verhielt Wolfe und atmete ein paarmal tief durch. An Deck warteten keine sonderlich dringenden Aufgaben; er hatte sie nur vorgeschützt, weil er um nichts in der Welt hätte dasitzen können und Herricks Qual mitansehen. Daß er nichts tun konnte, um diesem Mann zu helfen, den er schätzen gelernt hatte, deprimierte Wolfe zutiefst; noch nie war er sich so überflüssig vorgekommen.
In der Kajüte goß Herrick sich ein neues Glas Wein ein. Und danach noch eins. Das machte es zwar nicht leichter, aber es gab seinen Händen wenigstens etwas zu tun.
Beim dritten Glas blieb seine Hand in der Luft hängen, weil sein Blick auf den Prunksäbel an der Wand fiel, den Bolitho hier zurückgelassen hatte, als er auf
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umgezogen war.
Ein wundervolles Stück Handwerksarbeit, dachte Herrick. Aber wenn es das einzige war, was von Bolitho blieb, dann war es verdammt wenig.
Herrick sprang aus der grüngestrichenen Barkasse der
Benbo
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auf die Pier und wartete darauf, daß sein Bootsführer ihm folgte.
Dabei hatte er sich schon verspätet, hatte ursprünglich viel früher an Land sein wollen. Jetzt lag schon mattrotes Abendlicht über Sund und Reede und den Schiffen, die sich friedlich im glatten Wasser spiegelten.
Herrick hatte seiner Frau eine Nachricht gesandt, in der er nur so viel andeutete, wie sie unbedingt wissen mußte. Dulcie war eine vernünftige Frau und verlor bestimmt nicht die Beherrschung. Aber Herrick hatte eigentlich schon bei ihr sein wollen, wenn die Postkutsche aus Falmouth vor die Herberge rollte.
»Fahr zurück an Bord, Tuck«, sagte er zu seinem Bootsführer.
»Ich nehme mir nachher eine Mietjolle. Mr. Wolfe weiß, wo ich zu erreichen bin.«
Der Bootsführer tippte an seinen Hut. »Aye, aye, Sir.« Er wußte längst, was geschehen war, dachte dabei aber mehr an Allday als an Bolitho. Beide Bootsführer ihrer Kommandanten, hatten sie einander respektieren gelernt und waren gut miteinander ausgekommen. »Und, Tuck, wenn die Leute zu munkeln anfangen…«
Der Bootsführer nickte. »Aye, Sir, bin im Bilde. Dann komme ich so schnell zurück, daß der Kiel gär nicht erst naß wird.«
Herrick schritt die Pier hinunter; auf den runden, abgewetzten Kieselsteinen, über die schon Legionen von Seefahrern bis zurück zu Drake gegangen waren, klickten seine Schuhe so laut, daß er meinte, es müßte bis zur Herberge zu hören sein.
Als er den
Golde
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Lio
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mit seinen in der Abendsonne rotglühenden Fensterscheiben vor sich sah, verließ ihn der Mut, und er hielt inne. Im Hof stand eine leere Kutsche, die Pferde waren schon ausgespannt, nur zwei Diener luden Reisetaschen auf das Dach, wohl für die nächste Etappe nach Exeter.
Alles war schon schlimm genug, aber daß die elende Kutsche auch noch pünktlich eingetroffen war, ausgerechnet an diesem Abend, das machte es für Herrick noch schwerer.
Neben dem Hoftor blies ein einbeiniger Krüppel, mühsam auf einer primitiven Krücke balancierend, zum Vergnügen einiger Straßenjungen und Passanten eine Melodie auf seiner Querpfeife. Er trug den roten Rock der Seesoldaten, und der dunklere Fleck auf dem abgewetzten Ärmel, wo einst der Winkel aufgenäht gewesen war, verriet Herrick, daß er einen alten Sergeanten vor sich hatte.
Er tastete nach ein paar Münzen in der Rocktasche und warf sie dem Krüppel in die Mütze, beschämt, peinlich berührt und vor allem wütend darüber, daß solch ein Mann so elend dahinvegetierte. Aber bis es endlich zum Friedensschluß kommen würde, mußten bestimmt noch viel mehr Rotröcke verkrüppelt in den Straßen betteln.
Doch der Mann ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Breit grinsend hob er die Hand an die Stirn und salutierte spöttisch.
»Sergeant Tolcher, Sir. So geht’s einem im Leben, wie, Kapitän?«
Herrick nickte bedrückt. »Von welchem Schiff?«
»Mein letztes, Sir? Das war die alte
Culloden
,
unter Käpt’n Troubridge. War’n richtiger Gentleman, unser Käpt’n, jedenfalls
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