Admiral Bolithos Erbe
für einen Seeoffizier.«
Herrick hätte längst bei Dulcie sein müssen, aber irgend etwas hielt ihn hier zurück. Dieser unbekannte Marinesoldat hatte an der Schlacht von Abukir teilgenommen, hatte wie er selbst und Bolitho vor der Nilmündung gekämpft. Auf einem anderen Schiff zwar, aber immerhin.
»Viel Glück, Kamerad.« Mit diesen Worten wandte Herrick sich ab und eilte zum Eingang.
Der Marinesoldat schob die Münzen in die Tasche und grämte sich, daß er einen guten Zuhörer verloren hatte. Aber dieser stämmige Kapitän mit den auffallend blauen Augen hatte ihn für manches entschädigt.
Außerdem hatte er jetzt genug beisammen für ein paar Krüge Bier mit den alten Kumpels unten im
Volunteer
.
Der Ex-Sergeant der
Cullode
n
humpelte davon, wobei seine Krücke laut über das Steinpflaster kratzte.
Als Herrick das Zimmer betrat, standen beide Frauen da und warteten, der Tür zugekehrt, als hätten sie seit Stunden auf demselben Fleck verharrt.
Er wandte sich zunächst an Dulcie. »Tut mir leid, Liebste, aber ich wurde aufgehalten. Neue Befehle.«
Die plötzlich in den Augen seiner Frau aufsteigende Furcht sah er nicht mehr, weil sich seine Aufmerksamkeit jetzt auf Belinda konzentrierte, die neben dem kalten Kamin stand.
Herrgott, wie schön sie ist, dachte er. Sie trug ein flaschengrünes Reisekleid und hatte das volle, kastanienbraune Haar mit einem passenden Band im Nacken zusammengebunden. Aber sie war blaß, die großen braunen Augen schienen das ganze Gesicht zu beherrschen, als sie fragte: »Gibt es Neuigkeiten, Thomas?«
Herrick war gerührt von so viel Selbstbeherrschung und auch davon, daß sie ihn so selbstverständlich mit seinem Vornamen ansprach.
»Nein, noch nicht«, antwortete er. Er ging zu einem kleinen Tisch, nahm ein Glas auf, stellte es wi eder hin. »Aber Neuigkeiten brauchen eben ihre Zeit, bis sie eintreffen. Gute Neuigkeiten, meine ich.«
Endlich konnte er auf sie zugehen und ihre Hände in seine nehmen. In seinen harten Seemannspranken fühlten sie sich sehr weich an – und sehr hilflos.
Leise sagte Belinda: »Dulcie hat mir berichtet, was Sie ihr geschrieben haben. Und einige Offiziere in der Gaststube unten haben davon gesprochen, daß ein Schiff untergegangen sei. Besteht noch Hoffnung?«
Sie hob den Blick zu ihm, so flehend, daß ihre äußere Ruhe Lügen gestraft wurde.
Herrick seufzte. »Im Augenblick wissen wir noch viel zu wenig. Die Küste dort ist ziemlich gefährlich; soweit ich in Erfahrung bringen konnte, war es eine Kollision, möglicherweise mit einem Wrack, wonach
Sty
x
wegsackte und ziemlich schnell unterging.«
Inzwischen hatte Herrick die Szene im Geiste hundertmal nacherlebt, sogar bei der Kommandantenbesprechung, als er seinen Untergebenen die neuen Befehle erläutert hatte. Er wußte nur zu gut, wie das Unglück abgelaufen sein mußte, schließlich hatte auch er schon ein Schiff verloren. Die Schreie, dazu das Krachen und Knallen der brechenden Takelage gellten ihm noch im Ohr, er sah sie immer wieder vor sich, die Ertrinkenden: Manche starben lautlos, andere verfluchten Gott und die Welt und selbst den Namen ihrer Mutter, ehe die See ihnen den Mund verschloß.
»Aber Ihr Richard hatte tüchtige Männer um sich«, fuhr er fort, um Belinda etwas zu beruhigen. »Allday wich bestimmt nicht von seiner Seite, und der junge Neale war ein erstklassiger Kapitän.«
Belinda warf Dulcie einen schnellen Blick zu. »Wer wird es seinem Neffen sagen?«
Sehr sanft ließ Herrick ihre Hände los. »Das ist nicht notwendig. Adam war selbst dort. An Bord des Schiffes, das…« Gerade noch rechtzeitig verschluckte er den Rest des Satzes. »Adam war auf
Phalarope
,
die das Flaggschiff begleitete.«
Dulcie Herrick griff sich an die Brust. »Gott helfe dem Jungen.«
»Aye. Es muß furchtbar für ihn sein.«
Belinda Laidlaw setzte sich – zum erstenmal, seit sie aus der Postkutsche gestiegen war.
»Kapitän Herrick…« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Oder besser: Thomas. Denn Sie sind sein Freund und jetzt, so hoffe ich, auch meiner. Also, Thomas, was ist Ihrer Ansicht nach geschehen?«
Herrick spürte, daß seine Frau ihm ein Glas Wein in die Hand drückte, und warf ihr einen dankbaren Blick zu.
Dann sagte er: »Richard ist insgeheim immer ein Fregattenkapitän geblieben. Wenn es nur nach ihm ginge, würde er ohne großen Zeitverlust den Feind stellen und angreifen. Aber als kommandierender Konteradmiral hatte er andere Verpflichtungen. Er mußte Admiral
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