Adolescentia Aeterna - Die Entdeckung der Ewigen Jugend
Was habe ich mir nur mit dir eingebrockt? Das war nicht mein Plan. Du bist eine einzige Enttäuschung!“ Speicheltropfen verließen beim Brüllen den Mund seines Vaters.
Neuerlich traf den Jungen ein Tritt gegen sein Bein. Ein leises Knacken ertönte. Glühende Hitze breitete sich von dieser Stelle in seinem ganzen Körper aus. Der Junge schrie auf. Diese Verletzung war schlimmer als die anderen.
„Bitte, hör auf“, flehte er mit tränenerstickter Stimme.
„Jämmerlicher Waschlappen“, fauchte sein Vater, unterbrach jedoch die Prügel. Nach einem letzten Tritt schüttelte er den Kopf. Dann wandte er sich schnaubend ab.
Der Junge brach in Tränen aus. Diesmal war sein Vater in seiner Trunkenheit weiter gegangen als jemals zuvor. Seine Wut auf seinen Sohn musste riesig sein und würde lange nicht verfliegen. Wie sollte der Junge das überleben?
Er betete zu allen Göttern, d ie er kannte. Er flehte um Hilfe. Er bat um Gnade. Und er wünschte tief in seinem traurigen Herzen, dass es jemanden gäbe, dem er etwas bedeutete, der sich um ihn kümmerte. Doch diese Hoffnung musste zum Scheitern verurteilt sein.
Erschöpft versuchte er, sich irgendwo zu verkriechen, musste allerdings aufgeben. Der Tod schien ihm eine willkommene Erlösung. Seine Wange schmiegte sich an den staubigen Boden. Er blieb in der Dämmerung liegen und schlief schließlich überanstrengt ein.
In den frühen Morgenstunden weckte ihn ein leises Geräusch auf. Jemand schien sich zu nähern. Der Junge hoffte, dass die Person ihn unbeachtet liegen ließ. Möglicherweise war er - schmutzstarrend und zusammengekrümmt – aus der Ferne auf dem Boden gar nicht zu erkennen.
E in Schatten ragte über ihm auf. War sein Vater zurückgekommen, um sein Werk zu vollenden? Würde er ihn noch einmal schlagen?
Er hob den Kopf und entdeckte einen Fremden, der ihn mit mitleidigem Blick betrachtete. Was machte der vornehm wirkende Mann hier? Hatte er die Prügel des Jungen durch seinen Vater beobachtet?
„Wie heißt du, Junge?“ , fragte der Mann mit gütiger Stimme.
„Jul“ , flüsterte er. Sein notwendiges Misstrauen anderen Menschen gegenüber hielt ihn davon ab, der Güte zu vertrauen.
„Ich denke, ich weiß einen besseren Platz für dich.“
War der Mann etwa darauf aus, ihm dieselbe Art von perverser Gewalt wie Tertianus anzutun? Der Bursche schüttelte den Kopf. „Ich mache so etwas nicht. Du musst dir einen anderen Lustsklaven suchen.“
„Ist dir etwa das angetan worden? Hat man dich missbraucht?“
„Mir ist es gelungen, mich dem zu entziehen. Auch du wirst kein Glück haben“, behauptete der Junge.
„Wie wäre es, wenn du Bildung genießen könntest? Keine Arbeit auf dem Feld mehr. Stattdessen könntest du mich bei meiner Arbeit unterstützen. Ich betreibe Handel und könnte eine rechte Hand gut brauchen.“
Er runzelte die Stirn. „Keine schwere Arbeit mehr?“
Der Mann schüttelte den Kopf.
„Und Bücher lesen, ohne Schläge dafür zu bekommen?“
Nun nickte der Mann.
„Wer sagt mir, dass du mich nicht anlügst? Vielleicht ist das nur ein Trick.“
„Horch auf dein Herz.“
Seltsamerweise erhielt er dadurch Gewissheit, dass er dem Fremden vertrauen konnte. Das erste Mal in seinem Leben ging er das Risiko ein, einem anderen Menschen zu glauben. Hatten die Götter sein Flehen vernommen und ihm Beachtung geschenkt? Er versuchte sich aufzurappeln. Der Mann musste ihm helfen, als sein rechtes Bein nachgab. Vermutlich war es gebrochen. „Mein Vater wird mich nicht gehen lassen.“
„Darum werde ich mich kümmern “, versprach der Mann. „Du wirst sofort mit mir kommen. Wir werden deine Verletzungen versorgen.“
Dankbar schluchzte Jul auf. Seine Zweifel waren allerdings noch nicht versiegt. „Aber mein Vater … Er braucht mich. Ich bin seine einzige Hilfe hier auf dem Hof.“
„Möchtest du lieber bei ihm bleiben?“
Rasch schüttelte Jul den Kopf. „Er wird nicht freiwillig auf mich verzichten.“
„Mach dir keine Sorgen. Ich weiß ihn zu überzeugen.“
„Danke. Vielen Dank!“ Er konnte nicht glauben, dass er dieses Glück verdient hatte. Rettung in letzter Sekunde. „Aber … wie soll ich das jemals wiedergutmachen? Ich kann mich nicht erkenntlich zeigen …“
„Du bist mir nichts dafür schuldig, Junge.“ Der Gesichtsausdruck seines Befreiers zeugte von seiner Erschütterung über Juls Dankbarkeit. „Deine Gesellschaft wird mir Freude genug sein.“
Jul blickte dem Mann fest in die Augen.
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