Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
protestierte ich. »Siehst du!?«
Ich schwenkte den Laptop so herum, dass sie einen umfassenden Panoramablick auf das Wohnzimmer werfen konnte, das wirklich sehr aufgeräumt war. Ich hatte von bestimmten Leuten einfach die Nase voll, die so taten, als lebe ich nicht in der Realität und käme mit dem ganz normalen Alltag sowieso nicht zurecht, was nicht stimmte. Wie auch immer, im wirklichen Leben hatten die Leute Putzhilfen. Also hatte ich die Putzfrau von Bens Mutter angeheuert, einmal die Woche vorbeizukommen. Lydia kam aus Bulgarien und war geradezu manisch besessen von der unübertrefflichen Kraft des Essigs als Mittel gegen die meisten Haushaltsverschmutzungen. Als Person war sie einfach furchteinflößend und schrie mich immer an, wenn ich nicht aufgeräumt hatte, bevor sie eintraf.
»Na ja, das sieht ganz in Ordnung aus, aber wie steht’s mit dem Essen? Frische Früchte? Gemüse?«
Ich streckte ihr die Zunge raus. »Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, weißt du.«
»Jeane, du hast versprochen, dein Abitur zu machen. Du hast es echt versprochen!«
Bethan im Schuldgefühl-Modus war schrecklich. Sie bekam diesen besorgten, enttäuschten Unterton in der Stimme, von dem ich mich immer sofort schuldig fühlte. »Beth, bitte sei nicht sauer auf mich«, bat ich. »Ich habe diese vielen fantastischen Möglichkeiten, die nicht mehr da sein werden, wenn ich warte, bis ich mein Abitur habe. Es ist alles gut ‒ ich werde die Welt bereisen und interessante Sachen machen und Erfahrungen sammeln und Bücher schreiben und dabei auch noch wahnwitzige Summen von Geld verdienen.«
»Aber du bist zu jung! Niemand passt da draußen auf dich auf und – ach, mein Gott, das ist alles meine Schuld. Ich hätte in London bleiben und das ganze Stipendium vergessen sollen …«
»Nein! Du hattest das Stipendium verdient und du musst dir deinen Traum erfüllen ‒ und jetzt erfülle ich mir eben meinen. Ich finde nicht, dass man sich da schlecht fühlen muss.«
»Es gibt sicherlich sehr viele Leute, die einfach nur versuchen werden, dich auszunutzen und von dir zu profitieren …«
Ich liebte Beth. Sie war mir wichtiger als alle Apple-Produkte und Haribos und die fantastischsten Secondhand-Kleider der Welt, aber wenn sie so durch und durch ernst und niedergeschlagen war, brachte mich das geradezu um. »Niemand profitiert von mir«, sagte ich ihr. »Ich bin nicht dumm. Ich habe vorher mit vielen Leuten gesprochen, wie zum Beispiel mit meiner Freundin Molly, die, als sie in meinem Alter war, mal von ihrer Plattenfirma reingelegt worden ist, und ich habe einen Vertrag bei einer wirklich sehr renommierten Talentagentur unterschrieben und ich habe einen Steuerberater und einen Anwalt. Ich habe sogar eine Steuernummer. Es ist also alles in Ordnung, Bethan. Wirklich total in Ordnung.«
»Oh, Jeane …« Bethan sah aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. »Daran ist gar nichts in Ordnung. Die Dinge hätten sich nicht in diese Richtung entwickeln dürfen.«
»Aber die Dinge haben sich doch großartig entwickelt, und wenn du immer noch sauer auf mich bist, wenn du nächste Woche rübergeflogen kommst, darfst du mich verhauen. Du darfst sogar so tun, als würdest du mich in mein Zimmer schicken, wenn du dich dann besser fühlst.« Immerhin brachte sie das zum Lächeln, auch wenn es ein ziemlich trauriges Lächeln war. »Übrigens, brauchst du noch etwas, das ich auf meine Weihnachtseinkaufsliste setzen soll? Vielleicht noch eine Schokoladenrolle oder mehr Mince Pies? Man kann nie genug Mince Pies haben. Normalerweise haben wir Heiligabend doch immer die Sechs-an einem-Tag-Tradition, oder?«
Ich hatte erwartet, dass allein das Erwähnen von Mince Pies Bethan aufheitern würde, wo alles andere nicht fruchtete, aber sie sank auf ihrem beigen Sofa in sich zusammen. »Oh Gott …«
»Warum oh Gott? Hast du eine tödliche Allergie gegen Mince Pies entwickelt?«
Bethan sah nach rechts und sagte etwas, das ich nicht verstand, und dann kam Alex ins Bild, Bethans Freund, an dem sich fast so viele Muskeln riffelten wie an Gustav und der Neurochirurg werden wollte, wenn er groß war. Er setzte sich neben sie.
»Na, du Göre«, sagte er. »Wie geht’s?«
»Hey, Mr Apple Pie, Bethan ist sauer auf mich, kannst du ihr nicht sagen, sie soll aufhören, weil es langsam langweilig wird?«
Alex nahm Bethans Hand und sie stießen sich gegenseitig ein bisschen an und flüsterten, bis ich mit meinen Fingerknöcheln an den Monitor klopfen
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