Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
denn?«
»Puten- und Tofu-Pfanne«, sagte Alice. Sie erschauerte. »Ich esse keinen Tofu; der ist so eklig.«
»Ruf doch deine Eltern an und sag ihnen, wo du bist!«
Ich blickte meine Mutter voller Horror an. Sie kannte mich. Ich war ihr ältestes Kind. Ihr einziger Sohn. Sie hatte mich aufgezogen und mit mir geschimpft und mich gehetzt, damit ich meine Hausaufgaben pünktlich machte, und mir eingeimpft, zwischen den Mahlzeiten nichts zu essen, und wir sahen uns sogar zusammen original dänische Detektivfilme mit Untertiteln im Fernsehen an, sodass sie eigentlich hätte wissen müssen, dass Jeane nicht zu meinen Freunden gehörte und ganz sicher niemand war, von dem ich wollte, dass er zum Abendessen blieb.
Immerhin waren Jeane und ich uns in dieser einen Frage vollkommen einig, denn sie guckte ebenso entsetzt, besonders als sie sah, wie Dad große Stücke Tofu abschnitt.
»Nein, das ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Ich muss meine Eltern nicht anrufen. Ich würde gerne zum Abendessen bleiben.«
9
Jesus weinte.
Es gab viele Gründe, aus denen ich nicht zum Abendessen in Michael Lees Haus hätte bleiben sollen, aber sein Vater war wirklich nett gewesen, als er mit einer Pinzette Teile von Schotter aus meinem blutigen Fleisch entfernt hatte, und er hatte mir Lutscher geschenkt, auch wenn sie zuckerfrei waren.
Außerdem war es ewig her, seit ich ein selbst gekochtes Essen gegessen hatte, wahrscheinlich seit Bethan nach Amerika gegangen war. Aber der Hauptgrund, aus dem ich die Einladung zum Abendessen annahm, war der Ausdruck äußerster Panik auf Michael Lees Gesicht, so als ob seine komplette Welt gerade zusammenbrechen würde.
Es war die Rache für meinen verstauchten Knöchel und meine ruinierte orangefarbene Strumpfhose, und es war eine weitere Lektion für ihn zum Thema: Wie sich das Leben anfühlt, wenn es nicht nach deiner Vorstellung läuft.
Und vor allem machte es Spaß. Ich verstand mich super mit Melly und Alice, und während das Pfannengericht angerichtet wurde, nahmen sie mich mit nach oben in ihr Zimmer, das vollgestopft war mit rosa Prinzessinnenutensilien, aber auch mit arschviel Lego und Playmobil, ich musste ihnen also keinen Vortrag über die Gefahren geschlechtsstereotyper Kindererziehung halten. Nicht, dass es irgendwas gebracht hätte.
Alice und Melly waren süß und machten völlig klar, dass sie mich lieber mochten als Scarlett und dass ich bei der Zielgruppe der unter Zehnjährigen sehr gut ankam. Melly bot mir sogar an, mir ihre gestreifte Lieblingsstrumpfhose zu leihen, aber sie war zu klein. Das war ein Jammer, denn Mellys Lieblingsstrumpfhose war pink und grün und einfach nur toll.
Ich hätte den Rest des Abends auf Alices Hochbett verbringen und mich mit Geschichten von der Grundschulfront unterhalten lassen können, doch leider war es schon viel zu früh Zeit, sich hinzusetzen, um die berühmt-berüchtigte Puten- und-Tofu-Pfanne zu essen, die tatsächlich köstlich schmeckte. Ich meine, sogar der Tofu war köstlich, und es gab Soba-Nudeln, die ich total liebe, und es wäre alles toll gewesen, wenn Michaels Mum mich einfach in Ruhe und Frieden mein Essen hätte reinschaufeln lassen.
Seine Mum (sie sagte, ich könne sie Kathy nennen, aber sie sagte es in einem Ton, als würde sie mich erstechen, falls ich es wirklich versuchen sollte) ist Anwältin, und sie nahm mich ins Kreuzverhör, als ob ich wegen Angriffs mit einer tödlichen Waffe in zehn Fällen auf der Anklagebank säße. Sie wollte wissen, warum ich die Fußfesseln elterlicher Verantwortung schon in so jungem Alter abgeworfen hatte, was ich für Hauptfächer hatte, ob ich einen Teilzeitjob hatte und warum mein Haar grau war.
Ich spürte, dass sie mich nicht ausstehen konnte. Die meisten Mütter von Leuten mögen mich nicht – und es war nicht so, dass es mich interessierte, ob sie mich mochte oder nicht, ich sah sie wahrscheinlich nie wieder –, aber wenn jemand mir seineblöde falsche innere Einstellung zeigt, dann kann ich nicht anders, als sie zu erkennen und die Person auf die Palme zu treiben.
Statt also höflich zu sein und ihre Fragen einfach in einsilbigen Sätzen zu beantworten wie jede normale Siebzehnjährige, wurde ich sehr, sehr angriffslustig. So genau, wie ich ihr alles erzählte, hatte sie es gar nicht wissen wollen.
»Meine Mutter ist in gefühlsduseliger Mission für Gefängnisinsassinnen in Peru unterwegs. Sie versucht ihnen beizubringen, wie man meditiert«, sagte ich. »Und mein Vater ist
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