Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
das Garfunkels erreichten, wurde mir bewusst, dass Roy mir so viel mehr Fragen zu Michael und seinen Vorlieben und Abneigungen und seiner zukünftigen Karriereplanung gestellt hatte, als er je von meinem Leben und meinen Plänen hatte wissen wollen.
Das Objekt von Roys Neugierde harrte bereits am Eingang des Restaurants aus. Sein Gesicht erhellte sich, als er uns sah, denn es war ein eiskalter Abend im November, und Michael kam immer zu allen Verabredungen mindestens zehn Minuten zu früh, wohingegen wir fünf Minuten zu spät waren. Ich hätte ihn am liebsten auch angestrahlt, denn ich freute mich ehrlich sehr, jemanden zu sehen, der nicht Roy oder Sandra war. Ich gab mich aber damit zufrieden, ihn leicht in den Arm zu knuffen.
»Michael, dies ist Roy, eine Hälfte meiner beiden Erziehungsberechtigten, und dies ist Sandra, eine von Roys ganz besonderenFreundinnen«, stellte ich die beiden vor. »Roy, Sandra, dies ist Michael, der kein, ich wiederhole, kein ganz besonderer Freund von mir ist. Er ist einfach nur ein ganz gewöhnlicher Freund.«
Ich drückte Michaels Hand, als er uns die Tür aufhielt, um ihm zu zeigen, dass er natürlich nicht nur ein ganz gewöhnlicher Freund war und ich die Wahrheit nur um des lieben Friedens willen verschleierte und im Grunde wirklich nur, um ihm eine ganze Menge Ärger zu ersparen. Er suchte meinen Blick und zog eine Grimasse, aber ich war mir nicht sicher, ob er sauer auf mich war oder schon erkannt hatte, dass er auf dem Weg war, einen der nervtötendsten Abende seines Lebens zu verbringen, trotz des kostenlosen Salats.
Es fand nun eine ganze Menge Getue statt, bevor wir uns endlich setzen konnten. Der erste Tisch war zu nah bei den Toiletten, und Sandra konnte nicht mit dem Rücken zum Restaurant sitzen, aber sie musste aus dem Fenster sehen können, weil sie »einen Hauch klaustrophobisch« sei, doch irgendwann hatten dann alle einen Platz gefunden. Michael und ich saßen jetzt mit dem Rücken zum Restaurant, weil wir nicht unter Klaustrophobie litten, und Sandra und Roy waren uns gegenüber, einen Gin Tonic und ein großes Glas Whiskey vor sich.
Beide starrten weiterhin Michael an, und ich hoffte, Roy würde nicht irgendetwas abgründig Taktloses zu ihm sagen, wie zum Beispiel: »Bist du sicher, dass du nicht lieber zum Chinesen gehen möchtest?« Wirklich. Als Bethan eine Zeit lang mit einem schwarzen Typen ausging, Schock und Horror, fragte Roy ihn doch tatsächlich, wo er denn geboren sei, und war überhaupt nicht erfreut, als Martin antwortete: »Chalk Farm, im Norden von London.«
Glücklicherweise passierte so etwas heute Abend nicht, und Michael hatte auch nicht seine tief sitzende Jeans angezogen, in der er der Welt gleichzeitig auch noch seine Boxershorts präsentierte. Er trug seine dunkelblaue Jeans, die auf seinen Hüften blieb, kombiniert mit einem blau-weiß gemusterten Karohemd und seinem grauen Kapuzenpullover. Nicht gerade das aufregendste Outfit der Welt, aber es war Eltern- und Freundin-von-Eltern-freundlich, so wie überhaupt der ganze Michael.
Er beantwortete freundlich Roys Fragen mit genau den Antworten, die wir gemeinsam einstudiert hatten, und Roy wollte gerade von Michael wissen, mit welchem Notendurchschnitt er für sein Abitur rechnete, als Sandra ihn am Ärmel zupfte.
»Ich glaube, wir sollten jetzt schnell mal an die Salatbar gehen«, sagte sie mit Nachdruck und schwenkte ihren Kopf in die Zielrichtung. »Sie haben gerade alles frisch aufgefüllt.«
Es war kaum vorstellbar, dass sich zwei alte Menschen so schnell bewegen konnten. In der einen Minute saßen sie noch da, in der nächsten standen sie schon auf der anderen Seite des Restaurants. Für den Bruchteil einer Sekunde legte ich meinen Kopf auf Michaels Schulter.
»Oh, arme Jeane, ist es so schrecklich gewesen?«
»Mehr als schrecklich«, antwortete ich. »Noch dazu bin ich ziemlich sicher, dass ich um den Salat nicht herumkommen werde.«
Michael grinste, obwohl es dafür wirklich keinen Grund gab. »Wenn du schön deinen Salat aufisst, verspreche ich dir für später eine extratolle Überraschung.«
»Ich dachte, du müsstest nach Hause«, jammerte ich, denn obwohl Ferien waren und es in den Ferien ja eigentlich keine Abende vor dem nächsten Schultag gab, blieb Michael nie über Nachtbei mir. Es war bescheuert. Er war immerhin achtzehn. Rechtlich gesehen hätte er auch ohne die Genehmigung seiner Eltern dableiben oder einfach lügen und behaupten können, dass er bei einem
Weitere Kostenlose Bücher