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Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl

Titel: Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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solche Ansprüche für sich erheben. Walt dagegen gibt sich mit dem zufrieden, was Gott ihm gewährt hat und was immer ausreichend gewesen ist. Nicht, dass es in letzter Zeit eine Rolle gespielt hätte. Mit siebzig ist sein Stolz erschlafft. Er hat viel über Viagra gehört, doch wer Herzmedikamente einnimmt, muss auf diese blauen Pillen verzichten, und Walt schluckt seit seiner Bypass-Operation vor zehn Jahren täglich Nitrate. Carmelita, die Mexikanerin, die mit ihm zusammenlebt, ist trotzdem – und obwohl sie zehn Jahre jünger als er ist – bei ihm geblieben. »Vögeln ist nicht alles«, sagt sie immer, zwinkert und fügt hinzu: »Viele Wege führen zum Ziel.«
    In der Mitte der Brücke fällt Walt ein, dass es bei der letzten Überquerung seine Frau war, die in Nacogdoches auf ihn wartete. Frances musste damals ungefähr dreißig Jahre alt gewesen sein und vom Glanz ihrer zweiten Schwangerschaft erhellt. Doch sogar dieser Glanz verblasste, wann immer Walt die lange Auffahrt hinunterratterte und zur Arbeit fuhr. Sie machte sich zu viele Sorgen, und die anderen Ranger sagten oft, wenn Sorgen und Gebete den Menschen am Leben erhielten, brauche Walt in einem Kugelhagel nichts zu befürchten. Natürlich war Frances als Erste – und zu früh – vom Schicksal dahingerafft worden.
    Walt drängt die Erinnerungen zurück und denkt wieder an Carmelita. Sie macht sich nie Sorgen, wenn er aufbricht, obgleich sie weiß, dass einige seiner Jobs in letzter Zeit ziemlich schaurig gewesen sind. Das Verbrechen hat sich in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren geändert, sogar in Texas. Wenn es früher einen Kodex gegeben hat, der den Verbrechern eine gewisse Zurückhaltung auferlegte, so ist er mit dem Erscheinen von Crack-Kokain verschwunden. Trotzdem, sagt Carmelita, ist das Leben zu kurz, um es mit Sorgen zu füllen. Schon gar nicht wegen alter Füchse wie Walt, die es immer irgendwie schaffen, mit heiler Haut zurückzukehren.
    Walt wendet den Blick vom Turm der Kathedrale ab und schaut zum Fuß des Kliffs hinunter, wo die Riverboat-Casinos am Ufer kleben wie Schildfische an der Flanke eines Hais. Zwei Schiffe liegen im Norden und zwei im Süden der Brücke. Walt lacht vor sich hin. Mark Twain würde sich im Grab umdrehen. Diese »Boote« sind den Fluss hinunter zu ihrem gegenwärtigen Standort gezogen worden, denn sie waren nie dazu gedacht, sich aus eigener Kraft in Bewegung zu setzen. Sie haben nicht einmal Motoren. Sie sind schwimmende Unterhaltungspaläste und existieren nur zu dem Zweck, Geld aus einer so großen Gegend wie möglich abzuziehen und es an die Eigentümer der Casinos weiterzuleiten, von denen sich wenige dazu herablassen würden, die Grenzen eines Staates wie Mississippi zu überschreiten.
    Seiner Veranlagung nach ist Walt kein Glücksspieler. Allerdings hat er in Korea hin und wieder Poker gespielt, um sich von der Kälte abzulenken, und genug gewonnen, um die sauberen Huren in der Stadt aufsuchen zu können und nicht die Mädchen, die sich in den Hügeln unweit des Lagers verbargen und exotische Geschlechtskrankheiten hatten. Außerdem musste er sich bei seinen verschiedenen Undercover-Aufgaben mit Glücksspiel beschäftigen, sowohl als Ranger wie als Sonderermittler für den Bezirksstaatsanwalt von Harris County, Penn Cages alten Chef. Um beim Poker zu gewinnen, galt es, Menschen rasch und präzise einzuschätzen, was sich nicht allzu sehr von der Arbeit als Ranger unterschied.
    Der Wagen schüttelt sich und holpert von der Brücke, bevor Walt an der Canal Street nach links schwenkt und auf Downtown Natchez zuhält. Er hat Tom Cage seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen, aber wenn du mit jemandem auf dem Schlachtfeld warst, verliert die Zeit jegliche Bedeutung. Ihr seid Brüder bis zum Tod – und über den Tod hinaus, falls so etwas möglich ist. Tom zufolge müssen sie rasch vorgehen, was bedeutet, dass Walt so schnell wie möglich eine Identität für sich aufbauen sollte. Er reist unter einem seiner Lieblingspseudonyme – J. B. Gilchrist, ein Ölmann aus Dallas –, und mit ein wenig Unterstützung durch die beiden Cages wird er sich in die Struktur der Stadt einfügen und sich so gewiss zum Zielobjekt machen, wie ein Bär von Honig angelockt wird.
    Zum Glück ist Natchez eine Ölstadt. Zwar ist das Geschäft fast völlig zurückgegangen – größtenteils beschränkt es sich auf Neubohrungen durch Männer, die versuchen, die letzten Barrel aus Bohrlöchern zu saugen, die in den Fünfzigern

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