Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
Zeit.«
Während ich mein Walkie-Talkie in die Tasche schiebe, höre ich Geräusche, als würde mein Vater zornig einen Sonntagsbraten tranchieren. Ich drehe mich um und sehe, dass Kelly sich den Kopf des Bully Kutta zwischen die Knie geklemmt hat und den unteren Teil seines Halses durchsägt wie jemand, der im Akkord arbeitet.
»Was soll das denn?«
»Tollwut«, erwidert Kelly, ohne aufzublicken. Das Rückgrat des Hundes bremst ihn ein paar Sekunden lang, doch Kelly hat früher offensichtlich eine Menge wilde Tiere zerlegt. »Ich weiß nicht, ob dieses Mistvieh seine Spritzen gekriegt hat oder nicht. Für die Untersuchung braucht man den Hirnstamm und so weiter.« Als der Kopf abgetrennt ist, hebt Kelly ihn am faltigen Gesicht hoch und stopft ihn in den Seesack. Dann schnallt er sich sein Gepäck über, wuchtet sich den Kadaver des Hundes auf die rechte Schulter und steht mit einem Ächzen auf. »Worauf wartest du? Nimm den anderen.«
»Wohin gehen wir?«
»Zum Fluss, um die Kadaver reinzuwerfen.«
Mit einem merkwürdigen Summen im Kopf knie ich mich neben den schwarzen Hund, zwänge meinen rechten Arm unter den Rumpf und werfe ihn mir dann mühsam und ungelenk über die Schulter. Das Tier muss fast fünfzig Kilo wiegen, und es stinkt. Ich bin außer Atem, bevor ich zwanzig Meter zurückgelegt habe, aber Kelly ist schon weit entfernt.
Dies ist einer der Fälle, in denen ich ihm die ganze Arbeit hätte überlassen sollen.
Als ich das Flussufer erreiche, dreht sich der weiße Kadaver bereits langsam unter den Sternen im Wasser, und Kelly bringt den Hundekopf im Achterstauraum seines Kajaks unter. Mit letzter Kraft taumele ich von den Booten aus stromabwärts und werfe meine Last in den Fluss. Der Bully Kutta verschwindet mit einem Plätschern und taucht dann wieder an der Oberfläche auf.
»Diese Hurensöhne haben tatsächlich einen Anschlag auf meine Schwester verübt«, sage ich mit atemlosem Unglauben. »Seit Rubys Tod habe ich meinen Dad nicht so erschüttert gehört.«
Kelly hockt sich hin und wäscht seinen verwundeten Unterarm mit Flusswasser. »Willst du wissen, was ich denke?«, fragt er leise und scheuert sich das halb geronnene Blut von der Haut.
»Was?«
Er schaut auf, und seine sanften blauen Augen ähneln denen eines Chorknaben. »Ich denke, dass Jonathan Sands zu einem Ein-Kugel-Problem geworden ist.«
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E in Ein-Kugel-Problem?«, wiederholt Caitlin Kellys Worte. »Du meinst, du willst Sands töten? Kaltblütig?«
Kelly sieht sich im Kreis der Gesichter um. Außer ihm und Caitlin sitzen Carl Sims, mein Vater und ich auf Stühlen im Hobbyraum eines Seehauses, das Chris Shepard gehört, dem jüngsten Partner meines Vaters. Da der Labor Day vorbei ist, stehen die meisten Zweithäuser der Bürger von Natchez leer. Als ich die Vorhänge vor der breiten Glastür an der gegenüberliegenden Wand schloss, konnte ich hinter dem Haus den schwarzen Umriss des Lake Concordias erkennen, ein Altwassersee, der den Namen der Gemeinde trägt. Zudem fiel mein Blick auf James Ervin, der uns an der Seeseite bewacht, während sein Bruder Alwin den Eingang von der Straße her im Auge behält. Danny McDavitt sitzt im Hubschrauber auf der anderen Seite der Seestraße und wartet in dem Baumwollfeld, das wir als Landeplatz benutzt haben.
»Eigentlich«, sagt Kelly, »ist mein Blut zurzeit noch ziemlich heiß.«
»Meins auch«, erklärt mein Vater. »Feige Mistkerle.«
Während mein Vater Kellys verwundeten Arm verband, lauschten wir seinem Bericht, wie Jenny auf der Schnellstraße angegriffen wurde (nicht einmal die britische Polizei glaubt an einen Unfall). Danach unterrichteten wir Dad über die Ereignisse auf dem Fluss. Gleichzeitig knüpfte Carl einen Müllsack mit dem abgetrennten Kopf des Bully Kutta zu und legte ihn in den Kühlschrank, damit das Gehirn des Tieres am nächsten Morgen im pathologischen Labor untersucht werden konnte. Nach den Geschehnissen am Fluss war diese Szene so surreal, dass ich kaum zwischen Gedanken und Emotionen unterscheiden konnte. Kellys Erklärung, es sei an der Zeit, Jonathan Sands umzubringen, kommt mir nach Lage der Dinge ganz natürlich vor. An Caitlins harter Miene kann ich ablesen, dass sie anderer Meinung ist. Sie will meinen Vater nicht verärgern, aber sie kann auch nicht stumm bleiben, wenn es um das Thema Mord geht.
»Ich will auch, dass der Typ im Knast landet«, sagt sie. »Er ist Abschaum. Aber ihr könnt ihn nicht einfach umbringen. Wenn ihr entscheiden
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