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Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl

Titel: Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Stufen hinunter, die schon so manchem älteren Sargträger Kummer bereitet haben. Ohne es mir selbst gegenüber zuzugeben, habe ich gehofft, Caitlin draußen vorzufinden, doch ein gründlicher Blick auf die Kreuzung zeigt mir, dass sie nicht hier ist. Während wir den Sarg über die Walzen im Innern des wartenden Leichenwagens gleiten lassen, tätschelt Sam Jacobs, ein Jude, die Seite des Kastens und sagt: »Bis gleich am Friedhof, Timmy.« In diesem Moment fallen mir zwei Gedanken wieder ein, die ich hatte, als ich Tim zum letzten Mal lebend sah, oben auf dem Jewish Hill.
    Der eine bezieht sich auf die Lektion, die mein Vater in Korea gelernt hatte: Heldentum ist Opfer. Der zweite Gedanke ist der, dass die meisten Helden, die ich kenne, tot sind. Tim war einer dieser Helden. Er entschied sich mit der gleichen Gewissheit für den Märtyrertod wie irgendein verblendeter Heiliger aus dem Mittelalter.
    Ich schaue die Union Street hinunter, die mit den Mietwagen aller anderen außer Caitlin Masters gesäumt ist, und die egoistische Stimme, die ich normalerweise unterdrücken kann, erklingt laut und deutlich in meinem Geist: Wirst du das Leben eines Märtyrers führen? Wirst du die Erziehung deiner Tochter und die zweite Liebe deines Lebens für einen Kampf opfern, vom dem du nicht mehr glaubst, ihn gewinnen zu können?
    »Penn?«, sagt eine Männerstimme. »Alles klar?«
    Ich wende mich vom Leichenwagen ab und sehe, dass Paul Labry neben mir steht. Paul ist Katholik, aber er hat die St. Stephen’s nicht zusammen mit Tim und mir besucht, weshalb er nicht gebeten wurde, als Sargträger zu dienen. Trotzdem ist er in meiner Nähe geblieben, denn er weiß, dass ich gewaltig unter Druck stehe, auch wenn er die Gründe dafür nicht ganz durchschaut.
    »Mir geht’s gut, Paul. Danke der Nachfrage.«
    »Fährst du zusammen mit Drew und den anderen Männern?«
    Ich schaue an Labry vorbei und bemerke Drew Elliott, den Partner meines Vaters, der mich zu einem schwarzen BMW winkt, ein paar Autos hinter dem Leichenwagen. »Ich glaube schon. Du fährst doch auch zur Beerdigung?«
    »Natürlich. Wenn du nicht möchtest, dass ich etwas anderes erledige.«
    »Nein. Mir liegt daran, dass du dabei bist, und ich möchte anschließend mit dir sprechen.«
    Paul setzt eine besorgte Miene auf, aber er weiß, dass dies nicht der richtige Ort ist, um sich nach Einzelheiten zu erkundigen. Die Gemeindemitglieder steigen nun die Stufen hinunter, und überall an der Union und der Main Street werden die Autos angelassen. »Stimmt was nicht?«, erkundigt Paul sich leise.
    »Nein, nein. Ich wollte dich nur etwas fragen. Ich hätte es schon vor zwei Jahren tun sollen.«
    Verdutzt nimmt Labry meinen Ellbogen und führt mich von der Menge fort, doch ich löse mich von ihm und bestätige noch einmal, dass alles in Ordnung sei. »Ich bin nur ein bisschen durcheinander wegen Tims Tod«, sage ich. »Lass uns nach der Beerdigung reden, okay?«
    »Sicher. Wir sehen uns auf dem Friedhof.«
    Während Paul die Main Street hinaufgeht, vermutlich zu seinem Auto, schreite ich langsam – wie ein Mann, der die letzte Meile einer Wüste durchquert – auf Drew Elliotts BMW zu. Ganz kurz bin ich versucht, unter den Gästen auf dem Bürgersteig nach Caitlins Gesicht zu suchen, aber ich lasse es bleiben. Sie ist nicht hier – eine Entscheidung, die sie heute Morgen getroffen hat. Das vom Beton ausgehende Gleißen lässt mich blinzeln, und plötzlich wird mir klar, dass ich die Antwort auf meine stummen Fragen kenne. Einige Leute haben in der Vergangenheit beschlossen, mich als Helden zu betrachten, und ich habe diese Einschätzung genutzt, um in das Amt des Bürgermeisters aufzusteigen. Aber ich bin kein Held, schon gar nicht nach den Maßstäben meines Vaters. Und ein Märtyrer bin ich erst recht nicht. Meine Arbeit hier ist noch nicht beendet, noch lange nicht. Aber ich habe mein Möglichstes getan. Wenn meine alten Freunde Natchez verlassen, um zu ihren Familien zurückzukehren, werde ich ihnen mit meiner folgen. Diesmal wähle ich die Zukunft, nicht die Vergangenheit.
    Mein Kreuzzug ist zu Ende.

39
    C aitlin überquert die Mississippi River Bridge. Sie ist sicher, das Mädchen gefunden zu haben, das Linda Churchs Brief in der Ramada Inn an Penn weitergab, und es ist ihr mit nur zwei Anrufen gelungen. Entscheidend war die Frage, an wen sie sich wenden musste. Caitlin hatte im Hotel nur einen flüchtigen Blick auf das Mädchen werfen können, und noch dazu nur von

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