Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
der Lift nicht mehr.
Ich stürme durch dieselbe Tür und höre sofort Schritte auf der Treppe unter mir. Über das Geländer gebeugt, entdecke ich Kellys Hinterkopf. Mein Freund zwängt sich durch einen Notausgang. Ich folge ihm, wobei ich jeweils zwei Stufen auf einmal nehme. Sind Sands und Quinn irgendwo vor uns? Oder ist Kelly bloß hinter der Aufzeichnung her? Ich weiß nur, dass Sands das Chaos auf diesem Schiff verursacht haben muss. Jemand hat Quinn angerufen, woraufhin der Casinochef die Explosionen auslöste.
Jenseits des Notausgangs sprintet Kelly durch eine schmale Passage, die durch die gesamte Länge des Unterdecks zu führen scheint. Es ist derselbe Gang, auf dem wir uns vor nur einer Minute aufgehalten haben. Zehn Meter vor Kelly schwenkt Seamus Quinn nach rechts ab: in den Raum, den wir gerade verlassen haben – die Folterkammer, die den Spitznamen Devil’s Punchbowl trägt.
Kann Quinn etwas von der Aufnahme gewusst haben? Hat jemand das Vorhandensein des Recorders verraten?
Kelly flitzt durch die Luke, hinter der Quinn verschwunden ist. In diesem Moment kommt das Schiff abrupt zum Stehen, und ich stürze zu Boden. Entweder ist die Magnolia Queen gegen ein Hindernis geprallt, oder sie hat das Ende der noch unversehrten Ankertaue erreicht. Ich stemme mich hoch und folge Kelly durch die Luke.
Das Vernehmungszimmer wird nur durch eine rote Notbeleuchtung erhellt. Kelly steht zehn Meter vor mir auf dem Absatz der Metalltreppe an der entfernten Wand und stemmt sich mit dem Rücken gegen eine Stahltür. Ein Arm umklammert Quinns Hals, der andere hält die Unterarme des Sicherheitschefs fest. Jonathan Sands kauert zwei Stufen unter dem Treppenabsatz; er hat beide Hände erhoben, und seine Finger krümmen sich. Von einer Gesichtsseite tröpfelt Blut. Er will offenbar zu der Luke vordringen, doch als er vorwärtsstürmt, treibt Kelly ihn mit einem blitzschnellen Tritt zurück.
»Wo ist der Recorder?«, rufe ich. »Haben sie ihn?«
»Weiß ich nicht!«, antwortet Kelly und verstärkt seinen Griff um Quinns Hals.
Der Rollwagen in der Mitte der Kammer sieht unangetastet aus. Bevor ich auf ihn zuspringen kann, wälzt die Queen sich erneut zur Seite, und ein Donnern fährt durch das Schiff. Dann lässt ein Beben wie von Tausenden rennender Füße den Rumpf rattern und scheppern. Auf den Monitoren rechts von mir sehe ich schreiende Passagiere, die wie rasend versuchen, dem Oberdeck zu entkommen.
Als Sands wieder in Richtung der Luke vorstürmen will und erneut von Kelly zurückgetrieben wird, reiße ich die untere Schublade des Rollwagens auf und taste im Innern herum, ohne den Blick von Kelly zu nehmen. Ich stoße auf mehrere harte Gegenstände und fege sie alle auf den Fußboden. Das Aufnahmegerät ruht zwischen Drahtrollen und Isolierband, doch ich muss blinzeln, bevor ich begreife, was da noch neben dem Recorder liegt: eine winzige, altertümlich aussehende Pistole mit einem Lederriemen am gewundenen Knauf.
Walt Garritys Derringer.
Jiao …
Sands’ Geliebte fürchtete offenbar, dass er sich nicht so leicht geschlagen geben würde, wie wir gedacht hatten. Ich schnappe mir den Recorder und stehe auf. Die Waffe benötige ich nicht.
»Kelly, lass sie los! Ich habe die Aufnahme! Riskiere dein Leben nicht! Sie können nicht entkommen!«
Sands schaut sich lachend zu mir um und macht einen weiteren Versuch, sich der Luke zu nähern. Kelly wehrt ihn mit einem erneuten Tritt ab, doch Quinn gelingt es beinahe, sich Kellys Griff zu entziehen.
»Danny und Carl sind dort draußen!«, rufe ich. »Es wird Zeit, an Land zu gehen! Carl kann die Penner abschießen, wenn sie durch die Luke steigen!«
»Sands hat immer noch den Zünder!«, brüllt Kelly. »Hol Logan! Wir brauchen hier unten Polizisten!«
Als mir die Bedeutung des Wortes »Zünder« klar wird, rammt Quinn den Ellbogen gegen Kellys Kinn, sodass mein Freund für eine Sekunde benommen ist und Sands ihn durch einen Tritt zur Seite stoßen kann. Während Quinn mit Kelly ringt, dreht Sands das Rad der Luke, packt die schwere Metalltür und wirft sie mit einem Klirren an den Fuß der Treppe. Ich falle auf die Knie und strecke die Hand nach dem Derringer aus, doch es ist zu spät. Kelly krümmt sich wie eine Katze und schleudert Quinn mit einem Judowurf über seine Schulter. Die Beine des Iren prallen an den Rand der offenen Luke, und ich höre das Knacken von Knochen. Ich renne mit der Waffe heran, als Quinn Kellys Hemd von hinten packt und ihn mit aller
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