Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
hast.«
Sands’ Stimme ist gepresst. »Es interessiert mich nicht, was du mit ihr anstellst, wenn du darauf hinauswillst.«
Genau das ist es, denkt Linda. Niemand hat sich je wirklich dafür interessiert, was mit ihr angestellt wird. Niemand außer Tim.
»Luder wie die machen sich dauernd aus dem Staub«, sagt Quinn. »Da Jessup tot ist, würde keiner danach fragen, was ihr zugestoßen ist, wenn die Fotos nicht wären.«
»Die sind das Wichtigste«, bestätigt Sands. »Achte bloß darauf, dass Linda nicht gefunden wird.«
Quinn lacht leise und finster. »Keine Bange, die Jungs sind am Verhungern.«
Ein schwarzer Vorhang senkt sich über die Welt.
Linda wird von einem kalten Wind geweckt, der ihr ins Gesicht weht. Der Himmel ist voller Sterne, und ein silberner Mond, verschwommen im Nebel, blickt wie ein unbarmherziges Auge auf sie hinunter. Sie hört einen Motor und rutscht hin und her wie jemand, der auf einem Trampolin zu liegen versucht, während jemand anders darauf herumhüpft. Sie will sich abstützen, aber ihre Hände sind mit einem Seil gefesselt. Schlimmer noch, sie sind gefühllos. Beim nächsten Hüpfer rollt sie zur Seite und erbricht sich auf harten weißen Kunststoff.
Ein Boot, wird ihr klar. Ich bin in einem Boot.
Sie blickt von dem weißen Deck auf. Seamus Quinn sitzt an einem Lenkrad, und der Wind bläst sein lockiges schwarzes Haar nach hinten. Er grinst sie an, und seine Augen flackern wie silberne Lichtpunkte.
»Aufgewacht«, sagt er mit einem pseudoaustralischen Akzent. »Jetzt hast du Gesellschaft, Benny.«
Linda dreht den Kopf und blickt sich um. Ben Li liegt mit zusammengeschnürten Händen und Füßen auf dem Deck hinter ihr. Ein Streifen Isolierband ist über seinen Mund geklebt. Seine Augen flehen sie verzweifelt um Hilfe an. Als ob sie etwas tun könnte. Nach den ersten Sekunden spannt er den Körper nicht mehr an und lässt sich wieder aufs Deck sinken. Ihr fällt ein, dass Ben Li eine Universität namens CalTech besucht hat. Seine Eltern sind chinesische Einwanderer. Tim meinte, CalTech sei besser als alle Unis in den Südstaaten, was Computer angehe. Linda überlegt, ob Ben Li sich je vorgestellt hat, dass er sich zusammengeschnürt in einem Boot auf dem Mississippi wiederfinden würde.
»Wohin fahren wir?«, fragt sie.
Quinn lacht. »Das weißt du doch. Dahin, wo man Spaß haben kann.«
»Wer denn?«
Er lacht lauter und ruckt am Lenkrad des Motorboots, als müsse er einem Hindernis im Wasser ausweichen. »Zuerst ich, dann die Hunde.«
Linda schluckt und versucht, ihre Erinnerung an die eine Nacht zu unterdrücken, als sie bei einem Hundekampf für die Firma arbeitete. Es war wie ein Striptease in Las Vegas nach einem Boxkampf. Alle Mädchen hassten es. Der Boxsport brachte Millionen ein, weil Männer von Gewalt angezogen wurden wie von einer Droge.
Aber Hundekämpfe gehörten in eine ganz andere Dimension.
Zehntausend Jahre Zivilisation schienen in einer Stunde beseitigt zu werden. Alle Männer dort wollten bumsen oder sich prügeln, und der Hälfte war es egal, was von beiden. Wenn sie eine Frau im VIP -Zimmer erwischten, ließen sie sich nicht abweisen, und wenn sie sich prügelten, schien es belanglos zu sein, wer siegte und wer verlor. Sie wollten sich einfach nur abreagieren.
Prügeleien boten Männern die einzige Möglichkeit, Sex mit anderen Männern zu haben. Männern wie Quinn. Sich prügeln oder mit einer Frau schlafen. Das war es, was sie wirklich wollten und was Linda am Abend der Hundekämpfe mit Mühe vermieden hatte. Ein Abend genügte, um sie zu überzeugen, dass sie nie wieder zurückkehren würde. Wie oft hatten die Betrunkenen »Los! Los! Los!« gerufen? Schließlich hatte sie Sands überredet, sie in ein separates Gebäude zu bringen, aber vorher hatte sie ihn befriedigen müssen. Immerhin war sie dem entgangen, was den anderen Mädchen bevorstand. Manche hatten so etwas anscheinend schon früher erlebt, andere jedoch nicht. Und einige hatten noch größere Angst gehabt als Linda.
»Ich beobachte dich seit langem«, sagt Quinn. »Stolzierst auf und ab wie die Queen. Du bist lange genug tabu gewesen. Heute werde ich herausfinden, was den Chef die ganze Zeit an dir interessiert hat.«
Linda fröstelt und beobachtet, wie der Mond blasser wird, während der Nebel sich auf dem Fluss verdichtet. Sie wünschte sich, genug über die Sterne zu wissen, um feststellen zu können, ob sie stromaufwärts oder stromabwärts fährt. Aber selbst wenn sie es
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