Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
ganze Strecke von der Magnolia Queen zurückgelegt haben. Ich rolle mein Fenster herunter und lasse damit einen endlosen Strom von Flüchen ein.
»Verdammte Scheiße, was wollen Sie denn bloß?«, knurrt er. Quinn ist ein auf finstere Weise ansehnlicher Mann mit schlechten Zähnen und Augen, die schimmern wie poliertes Metall.
»Ich möchte mit Ihrem Boss sprechen. Es wird nicht lange dauern.«
Quinn stemmt beide Hände an die Seite meines Wagens und starrt wütend auf den Rücksitz. »Ihr Saftärsche habt Mist gebaut, oder?«
In meinem Rückspiegel beobachte ich, dass sich die beiden Rowdys zusammenkauern wie Kleinkinder, die sich vor einer Tracht Prügel fürchten. Quinn setzt eine erstaunte Miene auf, als ich die beiden Glocks aus meinem Hosenbund ziehe und sie ihm mit dem Knauf zuerst reiche. »Ich verspäte mich schon jetzt zu einem Termin, und wenn ich nicht auftauche, wird man nach mir suchen.«
Die funkelnden Augen verengen sich, doch schließlich winkt Quinn mich mit einem schwachen Lächeln weiter. »Ich werde Ihnen folgen, Eure Lordschaft.«
Das Tor öffnet sich rasselnd an einem Elektrokettenzug, und ich fahre unter dem aufmerksamen Auge einer Videokamera weiter, die an einem Stab zu meiner Rechten angebracht ist. Ob Sands uns von seinem Schlafzimmer aus beobachtet? Mein Auto überwindet eine niedrige Anhöhe, und zum ersten Mal bekomme ich das Haus des Casinogeschäftsführers zu Gesicht. In einer Stadt, die für neoklassische, spanisch und italienisch anmutende Villen aus der Zeit vor dem amerikanischen Bürgerkrieg berühmt ist, hat Sands eine Residenz gewählt, die sich am ehesten mit dem Palast eines Drogenbarons aus Miami vergleichen lässt. Die miteinander verbundenen weißen Stuckkästen blicken auf den Fluss hinaus, aber sie wirken wie ein außerirdisches Raumschiff, das in der Vorkriegszeit versehentlich in den Südstaaten gelandet ist und dabei ein Grundstück voll rosaroter Azaleen zermalmt hat.
»Warum wohnt Sands hier?«, frage ich die Männer auf dem Rücksitz.
»Warum denn nicht?«, erwidert der eine mürrisch.
»Unter dem Stuck ist Beton und Stahl«, sagt der andere. »Er würde nicht in einem Haus schlafen, das von einer Kugel durchbohrt werden kann. Ist wohl ’ne irische Macke.«
»Anscheinend.«
»Sie sind sooo am Arsch«, wiederholt er zum zehnten Mal. »Ich kann nicht glauben, dass Sie hier reinfahren. Wenn ich die Schlüssel hätte, wäre ich inzwischen auf halbem Weg nach Mexiko.«
»Aber ich bin nicht derjenige, der Mist gebaut hat«, erwidere ich.
Sands’ Auffahrt ist eine lange Ellipse, und der Fluss zeigt sich von seiner besten Seite, denn das Kliff ist hier niedriger als in der Stadt und fällt sanft zum Wasser hin ab. Während ich hinter einem Aston Martin Vanquish bremse – einem Auto, das für einen ehrlichen Casinogeschäftsführer unerreichbar ist –, überlege ich mir, ob diesen Leuten das Handwerk vielleicht am besten zu legen ist, wenn ihnen die Steuerfahndung auf die Spur gesetzt wird.
Quinn hält erneut schleudernd hinter mir an, springt heraus und öffnet mir die Tür. »Da wären wir, Meister.« Seine Stimme trieft vor Spott. »Lassen Sie uns zum Chef gehen.«
»Wenn Sie auf mich warten, gehen Sie rückwärts.«
Quinns Augen werden zu Schlitzen. »Eh?«
»Schon gut.«
Der Ire öffnet den hinteren Schlag und bedeutet den beiden Schlägern auszusteigen. Nach einigem Hin und Her gelingt es einem der beiden, sich mit seinen gefesselten Händen von dem kleinen Rücksitz zu schieben. Quinn betrachtet ihn ungefähr zehn Sekunden lang schweigend. Dann holt er etwas aus der Tasche und stülpt es sich über die rechte Hand. Ich bemerke das Glänzen von Messing, als Quinn zu einem kraftvollen Aufwärtshaken ausholt und mit einer solchen Geschwindigkeit zuschlägt, dass man eine Zeitrafferkamera gebraucht hätte, um den Schlag einzufangen. Das Knacken von Knochen zerstört jede Illusion über meine eigene Sicherheit.
»Das ist tätlicher Angriff«, sage ich dümmlich.
Quinns Grinsen ist anzüglich. »Was, Herr Bürgermeister? Der Mann ist gestürzt.« Dann deutet er auf die Villa. »Nach Ihnen.«
Jonathan Sands erwartet mich in einem weißen Frotteemantel an seinem Küchentisch. Vor sich hat er eine dampfende Tasse Kaffee und den Natchez Examiner . Die Küche sieht aus wie ein Operationssaal: Die Schränke sind weiß, die Haushaltsgeräte aus Stahl und die Anrichten aus Sichtbeton. Unpassend ist nur das unrasierte Gesicht des Besitzers. Sands’
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