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Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl

Titel: Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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hervor, hält einen zischenden Butanstrahl an den Tabak und macht einen tiefen Zug. Ein beißender Geruch erfüllt den Raum.
    »Herr Bürgermeister«, beginnt er und stößt violett-blauen Rauch aus. »Wussten Sie, dass neunundneunzig von hundert Menschen, die vor der Erschießung an einer Grube aufgereiht werden, widerstandslos niederknien und auf die Kugel warten?«
    Jiaos Augen sind weiterhin auf mich gerichtet. Sands’ seltsame Frage scheint sie nicht schockiert zu haben, wenn sie ihm überhaupt zugehört hat.
    Sands atmet noch mehr Rauch aus und lehnt seinen Stuhl auf zwei Beinen zurück, die unter seinem Gewicht knarren. »Der Henker geht die Reihe entlang. Die Schüsse werden lauter, die Leichen stürzen in die Grube, aber die Gefangenen warten immer noch, bis sie dran sind. Es ist mir unbegreiflich, doch es entspricht der menschlichen Natur. Nur hin und wieder gibt es einen Mann oder eine Frau, die nicht warten. Manchmal versuchen sie davonzulaufen oder sie springen nach jemandem, den sie kannten, in die Grube. Am seltensten ist derjenige, der sich umdreht und kämpft. Er hat keine Pistole und kein Messer oder auch nur einen Knüppel, aber wenn die Schüsse näher kommen, krampft sich etwas in ihm zusammen, und er denkt: ›Verflucht, so kann ich nicht enden!‹ Und er dreht sich mit gebleckten Zähnen und zum Angriff bereiten Nägeln um und rennt auf den Mann zu, der ihn töten will.« Sands grinst. »Diese armen Hunde feure ich jedes Mal an.«
    Jiao mustert mich mit ernster Miene.
    »Hat die Geschichte eine Pointe?«, frage ich.
    Vom Ende der Zigarette steigt Rauch auf, und Sands’ Augen glühen vor Faszination. »Sie kennen die Pointe, Freundchen. Das sind Sie . Der eine unter hundert. Jessup war ein Arschloch, aber Sie sind ein Kämpfer.«
    Ich habe Annies Gesicht vor meinem geistigen Auge, während ich Sands’ Blick ausdruckslos erwidere, als wäre er völlig im Irrtum. »Der Mann, von dem Sie sprechen, war ich früher einmal«, entgegne ich scheinbar widerwillig. »Unter den richtigen Umständen – wenn es sich lohnt, um etwas zu kämpfen, meine Familie zum Beispiel – könnte ich es immer noch sein. Aber hier geht es um Geld. Davon habe ich so viel, wie ich brauche, und zur Not kann ich mehr verdienen. Aber ich habe schon meine Frau durch Krebs verloren, und meine Tochter kann ich nicht ersetzen.«
    Sands’ Augen werden schmal, doch er bleibt stumm. Dann klatscht er sich plötzlich aufs Knie und lacht laut. Hinter mir gestattet sich Quinn ein Glucksen. Immer noch lachend, deutet Sands auf mich, als wollte er sagen: Hört euch diesen Burschen an. Ist er nicht zum Wiehern?
    »Warum weihen Sie mich nicht in den Witz ein?«
    Sands brüllt nun vor Lachen, was Jiao zu irritieren scheint.
    »Auch ich bin durcheinander«, gesteht sie schließlich.
    Sands wischt sich die Augen am Ärmel seines Morgenrocks ab, setzt die Vorderbeine des Stuhls nieder, beugt sich vor und richtet einen dicken Zeigefinger auf mich. »Sie legen mich nicht rein, Cage. Hören Sie bloß auf! Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Ihre Nase in andere Angelegenheiten zu stecken. Natürlich sind Sie hinter mir her. Das hätte ich schon gestern Nacht einsehen sollen. Sie haben gar keine andere Wahl. Es steckt Ihnen im Blut.«
    »Stimmt das?«, fragt Jiao und betrachtet mich mit ihren glänzenden Augen.
    »Und ob das stimmt«, sagt Sands. »Deshalb hat er seine Tochter aus der Stadt geschickt. Und seine geheiligte Mutter.«
    »Ich habe Ihnen den Grund doch genannt.«
    »Blödsinn! Die Leute, die Ihre Tochter abgeholt haben, sind hier durchgerast wie der Geheimdienst. Sie haben Quinns Männer kaltgestellt, als wären sie Waisenknaben. Wenn Sie den Ort verlassen wollten, wären Sie längst weg. Aber Sie sind noch hier.«
    Ich hebe die Schultern. »Es ist das wichtigste Wochenende des Jahres für die Stadt. Ich habe Verpflichtungen.«
    Sands verzieht spöttisch das Gesicht. »Ich dachte, Sie hätten den Posten satt.«
    »Trotzdem stehe ich zu meinem Wort.«
    »Eben. Sie müssen doch einen Eid abgelegt haben. Ich sollte mir eine Kopie davon besorgen.« Sands’ Frohsinn verschwindet wie die Blasen in einem Reagenzglas voll Blut. »Wer hat Ihre Frauen weggebracht, Herr Bürgermeister? Das FBI ?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nein. Die Männer arbeiten für eine private Sicherheitsfirma, mit der ich schon früher zu tun hatte. Sie haben keine Verbindung zur Regierung oder zu den Vollstreckungsbehörden. Für den richtigen Preis bewachen sie

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