Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
Scharfschützenaugen überfliegen den Examiner von links nach rechts, aber er bleibt stumm.
Bevor ich durch die Haustür treten durfte, war ich mit der Hand und mit zwei elektronischen Scannern abgetastet worden. Man hatte mir meine Pistole und mein privates Handy weggenommen, dazu die Blackberrys der beiden unglückseligen Männer, die mich überwachen sollten.
»Wie ich höre, haben Sie eine Nachricht für mich«, sagt Sands mit seinem künstlichen Akzent, ohne die Augen von der Zeitung zu heben.
Warum hält er die Illusion, Engländer zu sein, immer noch aufrecht? »Das stimmt. Ich habe meine Mutter und Tochter heute Morgen fortgeschickt. Das wollte ich Ihnen mitteilen.«
Sands schnuppert, nimmt einen Schluck aus der dampfenden Tasse und blickt auf. Seine Augen zeigen nichts als Ärger. »Das war kein Teil unserer Abmachung.«
»Das ist mir klar. Aber Sie müssen etwas über mich wissen: Ich war schon einmal nahe daran, meine Tochter zu verlieren, und ich kann nicht arbeiten, wenn ich mir um sie Sorgen machen muss. Deshalb habe ich sie vom Schachbrett genommen. Ich weiß immer noch genau, was Sie wollen. Das Geld, das Sie bei mir zurückgelassen haben, brauche ich nicht. Sie können es gern zurücknehmen. Aber ich werde versuchen, das Objekt zu finden, das man Ihnen gestohlen hat, und ich werde es Ihnen übergeben, wenn ich es entdeckt habe.«
Nach langem Schweigen sagt Sands: »Es fällt mir schwer, das zu glauben, Mr. Cage.«
»Was zu glauben?«
»Dass Sie mir mein Eigentum zurückgeben werden.«
»Das sollte es nicht. Als ich dieses Amt antrat, war ich noch voller Energie. Ich wollte der Stadt neue Arbeitsplätze verschaffen, aber ich verpasste meine beste Chance, als Toyota sich zurückzog. Stattdessen kam Ihr Schiff hierher. Nicht diese Stadt, sondern mein kleines Mädchen muss Priorität haben. Wenn Sie den Dorfdeppen noch ein bisschen mehr Geld aus den Taschen ziehen wollen, dann geht das in Ordnung. Ich möchte abtreten, und zwar um jeden Preis.«
Ein schiefes Lächeln erhellt Sands’ Gesicht. Seine Zähne sind völlig gerade und erstaunlich weiß – viel zu perfekt für einen Iren aus der Arbeiterschicht. Er trägt ein Gebiss, wird mir klar.
Bevor er antworten kann, öffnet sich eine Tür links von mir, und ich erstarre, denn ich rechne fast damit, dass der gespenstische weiße Hund die Küche betritt. Stattdessen gleitet eine braunhäutige Asiatin von überwältigender Schönheit mit so müheloser Anmut ins Zimmer, dass es der kultiviertesten Gesellschaftsdame schwerfiele, ihr gleichzukommen. Kaum einen Meter fünfzig groß, strahlt sie eine Selbstbeherrschung aus, die Sands genauso sehr zu beeinflussen scheint wie mich. Sie setzt sich auf den Stuhl neben mir und schaut zu mir auf. Ihre Augen rauben mir den Atem. Sie sind aquamarin, aber sie leuchten in einem perfekten chinesischen Gesicht. Ich muss an einen englischen Schmuggler denken, der seinen Samen während der Opiumkriege oder des Boxeraufstands ausgestreut und Schönheiten wie diese zurückgelassen haben könnte, die das Schicksal gemischtrassiger Kinder erlitten.
»Wir sind einander noch nicht vorgestellt worden«, sagt sie, und aus den Worten höre ich den reinen Ursprung des englischen Akzents heraus, den Sands so gut imitiert. Die Frau sieht aus, als wäre sie höchstens zwanzig Jahre alt, aber sie muss älter sein.
»Mein Name ist Penn Cage.«
Sie gewährt mir die Spur eines Lächelns. »Ich habe Ihr Foto in der Zeitung gesehen. Mein Name ist Jiao. Aber ich wollte Sie nicht unterbrechen. Bitte, fahren Sie fort.«
Jiaos unerwartetes Auftauchen hat meine Konzentration gestört. »Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte«, erkläre ich unbeholfen. »Mir geht es einzig und allein um die Sicherheit meiner Familie.«
Sands’ schiefes Grinsen ist zurückgekehrt. »Und Ihr Freund? Jessup? Was ist mit ihm?«
»Es tut mir leid, dass er tot ist, aber ich habe ihn gewarnt, nichts Unüberlegtes zu tun. Wer die Nase in fremde Angelegenheiten steckt, muss manchmal die Folgen tragen.«
»Ganz genau«, wirft Jiao ernst ein. »Im Geschäftsleben und in der Politik sind Todesopfer an der Tagesordnung. Es ist selten, dass ein Amerikaner das begreift.«
»Oh, wir begreifen es. Wir geben es nur nicht gern in der Öffentlichkeit zu.«
Sands lacht leise, doch seine Lippen lassen nur einen Hauch von Heiterkeit erkennen. Mit fast affektierter Sorgfalt holt er eine Zigarette und ein goldenes Feuerzeug aus der tiefen Tasche seines Morgenrocks
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