Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
erwärmen. Ich setze rückwärts aus dem Weg und sehe dem Traktor nach, der durch ein Tor und über Pfützen zu einer halb verfallenen Scheune fährt.
Ich drehe im Leerlauf die Heizung auf und rufe Julianne auf dem Handy an. Sie ist bereits wach und von ihrer Gymnastik ein wenig außer Atem.
»Hast du Jock Elisas Adresse gegeben?«
»Nein.«
»Hast du ihm gegenüber ihren Namen je erwähnt?«
»Was soll das alles, Joe? Du klingst verängstigt.«
»Hast du irgendwas gesagt?«
»… Ich weiß nicht, wovon du redest. Komm mir nicht mit deiner Paranoia …«
Ich schreie sie an, damit sie zuhört, doch sie wird wütend.
»Leg nicht auf! Leg nicht auf!«
Aber es ist zu spät. Kurz bevor die Verbindung unterbrochen wird, rufe ich noch: »Elisa ist tot!«
Ich drücke auf Wahlwiederholung. Meine Finger sind so steif, dass ich das Telefon kaum halten kann. Julianne nimmt sofort ab. »Was soll das heißen?«
»Irgendjemand hat sie ermordet. Die Polizei wird annehmen, dass ich es war.«
»Warum?«
»Ich habe ihre Leiche gefunden. Meine Fingerabdrücke und weiß der Himmel was noch sind in ihrer ganzen Wohnung verteilt – «
»Du bist in ihre Wohnung gegangen?«, fragt sie ungläubig. »Warum hast du das getan?«
»Hör mir zu, Julianne. Zwei Menschen sind tot. Jemand versucht, mich reinzureiten.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht. Das versuche ich ja herauszufinden.«
Julianne atmet tief ein. »Du machst mir Angst, Joe. Du klingst verrückt.«
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«
»Geh zur Polizei. Erzähl ihnen, was passiert ist.«
»Ich habe kein Alibi. Ich bin ihr einziger Verdächtiger.«
»Nun, dann sprich mit Simon. Bitte, Joe.«
Sie legt unter Tränen auf und lässt das Telefon ausgehängt. Ich kann sie nicht mehr erreichen.
Gottes Leibarzt im Wartestand trägt einen Bademantel, als er die Tür öffnet. In einer Hand hält er eine Zeitung und hat ein knurriges Gesicht aufgesetzt, um ungebetene Gäste abzuschrecken.
»Ich dachte, es wären wieder diese verdammten Weihnachtssänger«, brummt er. »Ich kann sie nicht ausstehen. Keiner von ihnen kann für fünf Pence den Ton halten.«
»Ich dachte, die Waliser wären so große Choristen.«
»Noch so ein verdammter Mythos.« Er blickt an mir vorbei. »Wo ist dein Wagen?«
»Ich habe ihn um die Ecke geparkt«, lüge ich. Ich habe Elisas Käfer an der örtlichen Bahnstation stehen lassen und bin die letzte halbe Meile gelaufen.
Er dreht sich um und ich folge ihm durch den Flur in die Küche. Seine ramponierten Pantoffeln machen ein flappendes Geräusch, wenn sie gegen seine kalkweißen Fersen schlagen.
»Wo ist Mum?«
»Sie war schon früh auf den Beinen. Irgendein Protestmarsch. Sie verwandelt sich in eine verdammte Linke – ständig demonstriert sie gegen irgendwas.«
»Gut für sie.«
Er schnaubt, offensichtlich anderer Meinung.
»Der Garten sieht gut aus.«
»Da solltest du erst mal den Garten hinter dem Haus sehen. Hat ein verdammtes Vermögen gekostet. Deine Mutter wird dir bestimmt die große Führung zukommen lassen. Diese verdammten Lebensart-Sendungen im Fernsehen sollten verboten werden. ›Vorgarten-Verschönerung‹ hier, ›Gartenumgestaltung‹ da – am liebsten würde ich eine Bombe auf den ganzen Haufen schmeißen.«
Er ist kein bisschen überrascht, mich zu sehen, obwohl ich unangemeldet aufgekreuzt bin. Wahrscheinlich nimmt er an, dass Mum es ihm gegenüber erwähnt hat, als er wieder mal nicht zugehört hat. Er setzt den Wasserkessel auf und leert die alten Teeblätter aus der Kanne.
Auf dem Tischtuch ist das Treibgut diverser Urlaube versammelt wie eine Teedose mit St.-Mark’s-Kreuz und ein Geleetopf aus Cornwall. Der Teelöffel zum Silberjubiläum war ein
Geschenk des Buckingham Palace, wo meine Eltern zu einer der Gartenpartys der Queen eingeladen waren.
»Möchtest du ein Ei? Speck haben wir keinen.«
»Eier sind gut.«
»Vielleicht findest du im Kühlschrank noch ein bisschen gekochten Schinken, wenn du ein Omelette willst.«
Er folgt mir durch die Küche und versucht zu erraten, was ich brauche. Sein Morgenmantel ist in der Hüfte mit einem Gürtel mit Quasten an den Enden zusammengebunden, und seine Brille ist mit einer goldenen Kette an seiner Tasche befestigt, damit er sie nicht verlegt. Er weiß von meiner Verhaftung. Warum hat er nichts gesagt? Das wäre doch die Gelegenheit, mir vorzuhalten: »Hab ich’s dir nicht gesagt.« Er kann mir meine Berufswahl vorwerfen und erklären, dass
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