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Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Menschen: Ich deute ihre Marotten und ihre Körpersprache; ich betrachte die Kleidung, die sie tragen, und die Art, wie sie kommunizieren; ich lausche auf Veränderungen in ihrer Stimme und achte auf die Bewegung ihrer Augen. Eine Leiche kann mir nichts von alldem sagen. Eine Leiche dreht mir den Magen um.
    »Keine Angst, sie wird schon nicht beißen. Ich erwarte Sie morgen um neun Uhr in der Leichenhalle von Westminster.« Er schreibt die Adresse auf einen Zettel und stopft ihn mir grob in die Jackentasche. »Wir können ja hinterher frühstücken«, sagt er leise vor sich hin grinsend.
    Bevor ich antworten kann, wendet er sich flankiert von seinen Detectives zum Gehen. Kurz vor der Tür dreht er sich noch einmal zu mir um.

    »In einem Punkt haben Sie sich geirrt.«
    »In welchem?«
    »Italien. Ich habe mich in das Land verliebt.«

5
    Auf dem Bürgersteig vor dem Gebäude küsst Elisa mich auf die Wange. »Das tut mir Leid.«
    Die letzten Polizeiwagen verschwinden zusammen mit meinem Publikum.
    »Es ist nicht deine Schuld.«
    »Ich weiß. Ich küsse dich nur gerne.« Sie zerzaust mir das Haar und zieht dann theatralisch eine Bürste aus ihrer Tasche, um es wieder zu ordnen. Sie steht vor mir und drückt meinen Kopf ein wenig nach unten, sodass ich in den Ausschnitt ihres Pullovers auf die Rundung ihrer mit Spitzen bedeckten Brüste und in das tiefe Tal zwischen ihnen blicke.
    »Die Leute werden noch anfangen zu reden«, neckt sie mich.
    »Es gibt nichts zu reden.« Die Feststellung kommt zu abrupt. Sie zieht beinahe unmerklich eine Braue hoch.
    Sie zündet sich eine Zigarette an und köpft die Flamme mit dem Deckel des Feuerzeugs. Für einen flüchtigen Moment spiegelt sich das Licht in den goldenen Flecken in ihren grünen Augen. Egal wie Elisa sich die Haare frisiert, sie wirken immer vom Schlaf zerzaust und wild. Sie legt den Kopf zur Seite und sieht mich eindringlich an.
    »Ich habe dich in den Nachrichten gesehen. Du warst sehr mutig.«
    »Ich hatte eine Heidenangst.«
    »Wird er wieder gesund – der Junge auf dem Dach?«
    »Ja.«
    »Und du?«

    Die Frage überrascht mich, und ich weiß nicht, was ich antworten soll. Ich folge ihr zurück in den Saal und helfe ihr, die Stühle zu stapeln. Sie stöpselt den Overheadprojektor aus und drückt mir einen Karton mit Prospekten in die Hand, auf deren Cover das gleiche Gemälde von Maria Magdalena abgedruckt ist.
    Elisa legt ihr Kinn auf meine Schulter. »Maria Magdalena ist die Schutzheilige der Prostituierten.«
    »Ich dachte, sie wäre eine geläuterte Sünderin.«
    »Die gnostischen Evangelien nennen sie eine Visionärin«, verbessert sie mich ärgerlich. »Sie wurde auch als Apostel der Apostel bezeichnet, weil sie ihnen die Botschaft der Auferstehung überbracht hat.«
    »Und du glaubst das alles?«
    »Jesus verschwindet für drei Tage, und der erste Mensch, der ihn lebend sieht, ist eine Hure. Ich würde sagen, das ist ziemlich typisch!« Sie lacht nicht. Es ist nicht witzig gemeint.
    Ich folge ihr wieder hinaus, und sie schließt die Tür ab.
    »Ich bin mit dem Wagen hier. Ich kann dich nach Hause fahren«, sagt sie und sucht nach den Schlüsseln. Als wir um die Ecke biegen, sehe ich ihren roten VW-Käfer vor einer Parkuhr stehen.
    »Es gibt noch einen Grund, warum ich dieses Bild ausgewählt habe«, erklärt sie.
    »Weil es von einer Frau gemalt wurde.«
    »Ja, aber das ist nicht alles. Auch wegen des Schicksals der Künstlerin. Artemisia Gentileschi wurde mit neunzehn von ihrem Lehrer Tassi vergewaltigt, obwohl er später bestritt, sie je angerührt zu haben. Während des Prozesses erklärte er, dass Artemisia eine lausige Malerin wäre, die die Vergewaltigungsgeschichte erfunden hätte, weil sie eifersüchtig war. Er beschuldigte sie, eine ›unersättliche Hure‹ zu sein und rief alle seine Freunde in den Zeugenstand, um gegen sie auszusagen. Man ließ sie sogar von Hebammen untersuchen, um herauszufinden,
ob sie noch Jungfrau war.« Elisa seufzt wehmütig. »In 400 Jahren hat sich nicht viel geändert. Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir Vergewaltigungsopfern keine Daumenschrauben mehr anlegen, um festzustellen, ob sie die Wahrheit sagen.«
    Sie schaltet das Radio ein und macht deutlich, dass sie sich nicht unterhalten will. Ich lehne mich auf dem Beifahrersitz zurück und höre Phil Collins zu, der »Another Day in Paradise« singt.
     
    Zum ersten Mal bin ich Elisa Mitte der 80er Jahre in einem schmuddeligen Befragungszimmer in einem

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