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Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Liniment auf die Genitalien reiben sollte. Das waren Schmerzen ohne Narben und Schuldgefühle. Und wenn wir in ihren Gedankenzirkel eingedrungen waren, war es vielleicht möglich, neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln, die weniger körperlich und gewalttätig waren.
    Ein paar Tage später, am 15. Juli, fand Catherine mich in der Krebsstation. Sie hatte ein Bündel Laken in den Armen und blickte sich nervös um. In ihren Augen sah ich etwas, was ich nicht erkannte.
    Sie machte mir ein Zeichen, ihr in eine Nische zu folgen, und ließ dann die Laken fallen. Ich brauchte eine Weile, bis mir die
Ärmel ihrer Strickjacke auffielen, die mit Papierhandtüchern – Taschentüchern voll gestopft waren. Durch die Papierschichten sickerte Blut.
    »Bitte helfen Sie mir, dass es niemand erfährt«, sagte sie. »Es tut mir so Leid.«
    »Sie müssen in die Notaufnahme.«
    »Nein! Bitte! Ich brauche diesen Job!«
    Tausend Stimmen in meinem Kopf sagten mir, was ich zu tun hatte. Ich ignorierte sie alle, schickte Catherine in mein Büro und besorgte mir Nadeln, Faden, Metallklammern, Verband und antiseptische Salbe. Bei zugezogenen Jalousien und abgeschlossener Tür nähte ich ihre Unterarme.
    »Das machen Sie gut«, sagte sie.
    »Ich hab ein bisschen Übung.« Ich trug das Antiseptikum auf. »Was ist passiert?«
    »Ich hab versucht, die Bären zu füttern.«
    Ich lächelte nicht, und sie wirkte beschämt. »Ich habe mich mit jemandem gestritten. Ich weiß nicht, wen ich bestrafen wollte.«
    »Mit Ihrem Freund?«
    Sie blinzelte gegen die Tränen an.
    »Was haben Sie benutzt?«
    »Eine Rasierklinge.«
    »War sie sauber?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Okay. Wenn Sie weiter darauf bestehen, sich zu schneiden, benutzen Sie die.« Ich gab ihr Einweg-Skalpelle in steriler Verpackung, außerdem Verband, sterile Pflaster und Nadeln.
    »Hier sind meine Regeln«, erklärte ich ihr. »Wenn Sie weiterhin darauf bestehen, dürfen Sie sich nur an einer Stelle schneiden… an der Innenseite der Oberschenkel.«
    Sie nickte.
    »Ich werde Ihnen beibringen, Ihre Wunden selbst zu vernähen. Wenn Sie merken, dass Sie das nicht schaffen, müssen Sie in ein Krankenhaus fahren.«

    Sie hatte die Augen weit aufgerissen.
    »Ich werde Ihnen die Möglichkeit, sich zu schneiden, nicht nehmen, Catherine. Und ich werde Ihren Vorgesetzten auch nichts davon sagen. Aber Sie müssen alles in Ihrer Macht Stehende tun, die Sache unter Kontrolle zu behalten. Ich lege mein Vertrauen in Sie. Sie können es zurückzahlen, indem Sie sich nicht selbst verletzen. Wenn Sie schwach werden, müssen Sie mich anrufen. Wenn Sie das nicht schaffen und sich schneiden, werde ich Ihnen keine Vorwürfe machen oder schlechter von Ihnen denken. Gleichzeitig werde ich aber auch nicht zu Ihrer Hilfe geeilt kommen. Wenn Sie sich selbst verletzen, werde ich Sie eine Woche lang nicht empfangen. Das ist keine Strafe – es ist ein Test.«
    Ich sah, dass sie intensiv über die Konsequenzen nachdachte. In ihrem Gesicht stand immer noch Angst, aber ihre Schultern verrieten ihre Erleichterung.
    »Von jetzt an setzen wir Ihrer Selbstverletzung Grenzen und Sie übernehmen die Verantwortung dafür«, fuhr ich fort. »Gleichzeitig werden wir nach neuen Wegen der Problembewältigung suchen.«
    Mit Hilfe eines Kissens gab ich Catherine einen kurzen Kurs im Vernähen einer Wunde. Sie machte einen Witz darüber, dass ich irgendwem eine gute Ehefrau wäre. Als sie aufstand, um zu gehen, schlang sie die Arme um mich. »Danke.« Sie ließ sich gegen mich sinken und klammerte sich so fest an mich, dass ich ihren Herzschlag spürte.
    Als sie weg war, starrte ich auf die blutverschmierten Verbände in meinem Papierkorb und versuchte zu ergründen, ob ich komplett verrückt war. Ich stellte mir vor, dem Gerichtsmediziner gegenüberzutreten, der mich empört fragte, wie ich einer jungen Frau, die sich gerne selbst aufschlitzte, Skalpelle hatte geben können. Er würde mich fragen, ob ich auch Brandstiftern Streichhölzer und Junkies Heroin geben würde.
    Trotzdem sah ich keine andere Möglichkeit, Catherine zu
helfen. Ein Null-Toleranz-Ansatz hätte ihren Glauben, dass andere Menschen ihr Leben kontrollierten und für sie Entscheidungen trafen, nur bestärkt. Dass sie wertlos und nicht vertrauenswürdig war.
    Ich hatte ihr die Wahl gegeben. Bevor sie die Klinge zur Hand nahm, würde sie hoffentlich ihre Motive hinterfragen und die Konsequenzen bedenken. Und vielleicht würde sie andere Wege suchen, ihre Probleme

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