Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
oder einem Neandertaler von einem Halbstürmer ohne Vorderzähne und mit Blumenkohlohren. Kurz bevor ich eingeholt wurde, wachte ich immer auf, aber das gab mir nicht das Gefühl, sicherer zu sein. Das ist das Problem mit Albträumen. Nichts wird gelöst. Wir wachen im freien Fall, kurz bevor die Bombe hochgeht oder splitternackt an einem öffentlichen Ort auf.
Ich liege seit fünf Stunden im Dunkeln wach. Jedes Mal wenn ich einen angenehmen Gedanken denke und eindöse, schrecke ich panisch wieder hoch. Es ist, als würde man einen billigen und lachhaft schlechten Horrorfilm anschauen, in dem es doch hin und wieder eine Szene gibt, die einen zu Tode gruselt.
In der Hauptsache versuche ich, nicht an Bobby Moran zu denken, weil mich das zu Catherine McBride führt, und das ist ein Ort, an den ich nicht will. Ich frage mich, ob man Bobby festgenommen hat oder beschattet. Vor meinem inneren Auge sehe ich einen Van mit getönten Scheiben vor seinem Haus stehen.
Man kann nicht wirklich spüren, ob man beobachtet wird – jedenfalls nicht, ohne auf ein Indiz gestoßen zu werden oder etwas Ungewöhnliches zu bemerken. Aber Bobby operiert nicht
auf derselben Wellenlänge wie die meisten Menschen, er fängt andere Signale auf. Ein Psychotiker kann glauben, dass der Fernseher mit ihm spricht, er wird sich fragen, warum gegenüber die Telefonleitungen repariert werden oder warum ein Van mit getönten Scheiben vor seiner Haustüre steht.
Vielleicht geschieht auch nichts von alledem. Bei all der neuen Technologie muss Ruiz vielleicht nur Bobbys Namen eintippen, um alles zu erfahren und Zugang zu privaten Daten zu bekommen, die die Regierung nach Überzeugung aller Verschwörungstheoretiker über jeden Staatsbürger sammelt.
»Denk nicht darüber nach. Schlaf einfach«, flüstert Julianne. Sie spürt, wenn ich mir über irgendetwas Sorgen mache. Seit Charlies Geburt habe ich keine Nacht mehr richtig durchgeschlafen. Nach einer Weile kommt man aus der Übung. Und jetzt nehme ich diese Tabletten, die alles noch schlimmer machen.
Julianne liegt auf der Seite, das Laken zwischen die Schenkel geklemmt und eine Hand neben ihrem Kopf auf dem Kissen. So liegt Charlie auch, wenn sie schläft. Sie geben kaum einen Laut von sich und rühren sich nicht, als wollten sie in ihren Träumen keine Fußabdrücke hinterlassen.
Am Sonntagmorgen ist das Haus von Essensdüften und weiblichen Stimmen erfüllt. Ich soll das Feuer im Kamin schüren und die Treppe vor dem Haus fegen. Stattdessen schleiche ich zum Zeitungsladen, um die Morgenzeitungen zu kaufen.
In meinem Arbeitszimmer lege ich Magazine und Beilagen beiseite und beginne nach Artikeln über Catherine zu suchen. Ich will mich gerade setzen, als ich Charlies knopfäugigen Goldfisch bemerke, der mit dem Bauch nach oben im Aquarium treibt. Erst denke ich, dass das irgendein ausgefallener Goldfischtrick ist, doch bei näherem Hinsehen macht er keinen besonders gesunden und munteren Eindruck. Seine Flossen sind mit grauen Flecken übersät – Indiz eines exotischen Fischpilzes.
Charlie reagiert nicht besonders gut auf Todesfälle. Es gibt nahöstliche Königreiche, die kürzere Trauerzeiten haben. Ich nehme den Fisch aus dem Aquarium und betrachte die arme Kreatur in meiner Hand. Ich frage mich, ob Charlie glauben würde, dass der Fisch einfach verschwunden ist. Sie ist schließlich erst acht. Andererseits glaubt sie auch nicht mehr an den Weihnachtsmann und den Osterhasen. Wie konnte ich eine solche Zynikerin groß ziehen?
»Charlie, ich habe eine schlechte Nachricht. Einer von deinen Goldfischen ist verschwunden.«
»Wie konnte er einfach verschwinden?«
»Nun, genau genommen ist er gestorben. Tut mir Leid.«
»Wo ist er?«
»Du willst ihn doch lieber nicht sehen, oder?«
»Doch.«
Der Fisch ist immer noch in meiner Hand, die ich in die Tasche gesteckt habe. Als ich meine Handfläche öffne, wirkt es nicht wie ein ernster Akt, sondern eher wie ein Zaubertrick.
Gut organisiert wie sie ist, verfügt Julianne über eine ganze Sammlung von Schuhkartons und Plastiktüten zum Zuziehen, die sie für derartige Todesfälle in der Familie aufbewahrt. Unter den Augen von Charlie begrabe ich den glubschäugigen Goldfisch unter dem Pflaumenbaum, zwischen dem verstorbenen Hamster Harold, einer Maus, die nur den Namen »Maus« hatte, und einem Spatzenbaby, das gegen die Terrassentür geflogen ist und sich den Hals gebrochen hat.
Zum Mittag ist die ganze Familie versammelt bis auf
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