Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
eine Stunde später ein. Wir halten uns nicht mit Smalltalk über Patricia oder das leckere Sonntagsessen auf.
Stattdessen macht er mir ein Zeichen, Platz zu nehmen, und zieht sich einen Stuhl heran. Dies ist eine berufliche Angelegenheit.
Die Verwahrzellen liegen ein Stockwerk tiefer, die Aufnahme muss irgendwo in der Nähe sein. Ich rieche Kaffee und höre das Klappern von Computer-Tastaturen. Durch die Jalousien an den Fenstern des Vernehmungszimmers sieht man am Himmel die ersten hellen Streifen.
Simon klappt seinen Aktenkoffer auf und nimmt eine blaue Aktenmappe und einen großen Notizblock heraus. Ich finde es erstaunlich, wie er seine Weihnachtsmann-Statur mit dem Gebaren eines Anwalts verbindet.
»Wir müssen ein paar Entscheidungen treffen. Sie wollen so bald wie möglich mit der Vernehmung beginnen. Möchtest du mir irgendetwas sagen?«
Ich spüre, dass ich heftig blinzele. Was meint er damit? Erwartet er ein Geständnis von mir?
»Ich will, dass du mich hier rausholst«, sage ich ein wenig zu barsch.
Er fängt an, mir zu erklären, dass das Polizeigesetz der Polizei achtundvierzig Stunden gibt, in der der Verdächtige entweder formell beschuldigt oder freigelassen werden muss, sofern ein Gericht nicht anders entscheidet.
»Das heißt, ich könnte zwei Tage hier hocken?«
»Ja.«
»Aber das ist lächerlich!«
»Kanntest du das Mädchen?«
»Ja.«
»Hast du dich am Abend ihres Todes mit ihr verabredet?«
»Nein.«
Simon macht sich Notizen. Er beugt sich über seinen Block, kritzelt Striche und Punkte und unterstreicht einige Wörter.
»Das ist ein Fall für Blöde«, meint er. »Du musst ihnen nur ein Alibi für den 13. November liefern.«
»Das kann ich nicht.«
Simon sieht mich mit dem besorgten Blick eines Lehrers an, der nicht die Antwort bekommen hat, die er erwartet. Dann zupft er eine Fluse vom Ärmel seiner Anzugjacke, als wollte er das Problem beiseite wischen. Schließlich steht er abrupt auf und klopft zwei Mal an die Tür, um zu signalisieren, dass er fertig ist.
»Ist das alles?«
»Ja.«
»Willst du mich nicht fragen, ob ich sie getötet habe?«
Er sieht mich verwirrt an. »Spar dir dein Plädoyer für die Geschworenen und bete, dass es gar nicht erst so weit kommt.«
Er schließt die Tür hinter sich, doch der Raum ist nach wie vor voll von dem, was er zurückgelassen hat – Enttäuschung, Ehrlichkeit und den Geruch von Aftershave. Fünf Minuten später führt mich eine Wachtmeisterin den Flur hinunter ins Vernehmungszimmer. Ich kenne diese Räume. Zu Beginn meiner Laufbahn habe ich manchmal als »verantwortlicher Erwachsener« fungiert, wenn Jugendliche verhört wurden.
Ruiz kommt mit einem zweiten Detective, der jünger und größer ist und ein langes Gesicht und schiefe Zähne hat. Simon folgt ihnen ins Vernehmungszimmer. »Wenn ich deinen Ellenbogen berühre«, flüstert er, »möchte ich, dass du still bist.«
Ich nicke.
Ruiz nimmt mir gegenüber Platz, ohne seine Jacke auszuziehen. Mit einer Hand reibt er über die Stoppeln an seinem Kinn.
»Dies ist die zweite förmliche Vernehmung von Professor Joseph Paul O’Loughlin, verdächtigt des Mordes an Catherine Mary McBride«, sagt er für den mitlaufenden Kassettenrekorder. »Anwesend sind Detective Inspector Vincent Ruiz, Detective Sergeant John Keebal und Dr. O’Loughlins Rechtsvertreter Simon Koch. Es ist acht Uhr fünfzehn.«
Eine Polizistin überprüft, dass der Rekorder funktioniert, und nickt Ruiz zu. Er legt beide Hände auf den Tisch und verschränkt
die Finger. Er sieht mich an, ohne etwas zu sagen. Ich muss zugeben, dass es eine sehr eloquente Pause ist.
»Wo waren Sie am Abend des 13. November dieses Jahres?«
»Ich erinnere mich nicht.«
»Waren Sie zu Hause bei Ihrer Frau?«
»Nein.«
»So weit erinnern Sie sich doch?«, fragt er sarkastisch.
»Ja.«
»Haben Sie an jenem Tag gearbeitet?«
»Ja.«
»Um wie viel Uhr haben Sie Ihre Praxis verlassen?«
»Ich hatte um fünf Uhr einen Arzttermin.«
Und so geht es weiter in die Einzelheiten. Ruiz versucht mich festzunageln. Wie ich weiß er, dass Lügen sehr viel schwieriger ist, als die Wahrheit zu sagen. Der Teufel liegt im Detail. Je mehr davon man in eine Geschichte einwebt, desto schwerer wird es, sich daran zu halten. Sie werden zu einer Zwangsjacke, die einen immer enger fesselt und immer weniger Bewegungsraum lässt.
»Kannten Sie Catherine McBride?«
»Ja.«
»Wo haben Sie sie zum ersten Mal getroffen?«
Ich erzähle die ganze
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