Advocatus Diaboli
bereitgestellten Gespanne, das vereinfachte Passieren der Zollstellen und ein Trupp Soldaten, der sie vor Räubern beschützte, überzeugten ihn, dass er aus eigener Kraft niemals so gut vorangekommen wäre.
Nach drei Wochen erreichte der Konvoi Viterbo, eine reiche Stadt im Latium und zugleich Refugium für die von der römischen Bevölkerung bedrohten Päpste.
Viterbo war die letzte Station der Pilger vor ihrer Ankunft in der Ewigen Stadt. Die Franzosen, die nur noch wenige Stunden von ihrem großen Sprung in die Askese trennten, erlebten ihre letzten Momente der Lustbarkeit. Nach einer schnellen Beratung beschlossen sie, den Aufenthalt in Viterbo um einen Mondzyklus zu verlängern.
Nun hielt Aba den Augenblick für gekommen, allein weiterzuziehen. Er verschwand diskret, ohne sich auch nur von dem Herzog zu verabschieden, der ihm das Fortkommen so sehr erleichtert hatte, und ließ sich in ein Zimmer im ersten Stock der großen Herberge zum Paraclet in der Via della Gualchiera führen.
Sobald er alleine war, legte er seine Sachen neben das Bett und setzte die Armbrust wieder zusammen. Kurz darauf holte er die schwarze Kleidung des Söldners hervor, die er auf dem Pferd Leto Pomponios im Schloss von Mollecravel erbeutet hatte. In einer Tasche des Wamses entdeckte er ein seltsames, achteckiges Holzstück, das mit Leder bezogen war und auf einer Seite die Ziffer 1611 sowie ein Kreuz trug, welches von einem Kreis eingefasst war. Er legte es beiseite.
Er zog seine Pilgerkutte aus und legte die Montur des schwarz gekleideten Mannes an. Da er nicht die Statur des Soldaten hatte,
passte er mit Nadel und Faden die Schulterbreite sowie die Ärmel- und Beinlänge an und flickte die Öffnung in Magenhöhe, die Pomponios Schwert hinterlassen hatte.
Von Kopf bis Fuß gekleidet wie einer der Mörder aus Cantimpré verharrte Pater Aba einen Augenblick unbeweglich. Er ergriff das Schwert, mit dem Maurin ermordet worden war, und ließ es in den Ring des Schwertgehänges gleiten.
Er setzte die Kapuze auf und zog sie ins Gesicht herab.
Die mörderische Aufmachung bedrückte ihn, in seinem Mund breitete sich ein bitterer Geschmack aus, seine Kinnbacken verkrampften sich …
Er hasste dieses Aussehen.
Aber er war bereit.
Um Viterbo zu verlassen, bezahlte er seinem Gastgeber die Miete für ein kräftiges Pferd.
»Wohin wollt Ihr Euch begeben?«
»Nach Ancona.«
Der Gastwirt stellte ihm ein gesatteltes Pferd mit gewaschener Mähne zur Verfügung.
Aba hatte die Rösser der Entführerbande in Cantimpré nicht gesehen, fand jedoch, dass dieses Pferd hier ein stolzes Tier war und den begeisterten Schilderungen der Bewohner von Disard entsprach.
Es kostete ihn dreißig Denare und zwei Paar Hufeisen. Er versah sich außerdem mit der Liste der Wechselstationen und der Etappen, die seinen Weg bis Ancona säumten.
Er schlug die Richtung von Griffignano ein und ritt dann geradewegs nach Umbrien und in die Marken, die wichtigsten Provinzen des Kirchenstaats.
Obwohl er aufmerksam darauf achtete, wie die Leute auf seine
Verkleidung als Söldner reagierten, entdeckte er nie den kleinen Job Carpiquet, der sich auf Althoras’ Geheiß seit Mollecravel an seine Fersen geheftet hatte.
Dieser geschickte und hartnäckige Verfolger, der es bestens verstand, sich unsichtbar zu machen, war den französischen Pilgern seit Olargues gefolgt. Er hatte sich nicht von Pater Abas veränderter Erscheinung beim Aufbruch aus Viterbo täuschen lassen und war ihm keinen Tag von der Seite gewichen; bei jedem Zwischenhalt ließ er Althoras eine Nachricht zukommen, um ihm seine Position kundzutun.
Sechs Tage später erreichte der ohne sein Wissen verfolgte Pater Aba, der glaubte, nun am Ende seiner Suche angelangt zu sein, Ancona …
III
B enedetto Gui zog sich in die Abtei von Pozzo, hinter die Bäckerei und die Mühle zurück, um vor fremden Blicken geschützt die Dokumente durchzusehen, die in dem Kästchen von Schwester Constanza aufbewahrt waren.
Die Konkubine des greisen Bruders Hauser hatte hervorragende Arbeit geleistet: Der mit kleinen Nagelköpfen beschlagene Holzkasten barg verschiedene Hinweise, die für Benedettos Nachforschungen über Rainerios Verschwinden bedeutsam waren.
Zunächst einmal erfuhr er dank der Eintragungen im Kalender, in dem die Klosterbesuche vermerkt waren, wie oft der junge Mann in den vergangenen zwei Jahren in Pozzo vorstellig geworden war: neunzehn Mal.
Im letzten Herbst hatte die Häufigkeit der Besuche
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