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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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Eindruck: Von seiner linken Hand troff Blut herab.
    Es war Daniel Jasomirgott.
    Beim Anblick Rainerios zögerte er. »Ist er das?«, fragte er den Schlüsselverwahrer, der bejahte.
    Rainerio erhob sich und trat vor.
    »Ich bin der Schüler von Otto Cosmas«, sagte er.
    »Otto ist tot.«
    »Es werden bald zwei Jahre sein. Ich weiß, dass Ihr in der Zeit, da er noch in seinem Heimatland lebte, sein treuester Freund wart! Er hat mir in Rom oft geraten, Euch hier in Olmütz aufzusuchen, falls ich eines Tages Hilfe bräuchte!«
    Jasomirgott runzelte die Stirn.
    »Hilfe? Wer sagt mir, dass du kein Hochstapler bist? Jeder dahergelaufene Kerl kann sich für den Freund eines Toten ausgeben …«

    »Befragt mich. Dann werdet Ihr sehen, ob ich lüge.«
    Daniel überlegte und fragte sodann: »1260 verfasste Otto ein bedeutendes Werk, das keine Aufmerksamkeit fand. Wie hieß es?«
    »Es handelt sich um Gegen die Abhandlung über die drei Hochstapler von Simon de Tournai in acht Beweisen. Meister Cosmas hielt dieses Jugendwerk nicht mehr für wertvoll und sein Scheitern für verdient.«
    »Warum musste Cosmas aus Böhmen fliehen und sich in Rom niederlassen?«
    »Das Gerücht will von einem betrogenen Ehemann wissen, in Wahrheit aber wurde er der Ermordung eines Erzdiakons in Prag bezichtigt.«
    »Hatte er ihn getötet?«
    Rainerio zögerte einen Moment und antwortete dann: »Ja.«
    »Hatte er das Bett der Frau des wütenden Ehemanns geteilt?«
    »Manche seiner Verse lassen kaum einen Zweifel daran: Ich glaube sogar, dass er sie aufrichtig geliebt hat.«
    »Wenn er über mich gesprochen hat … was hat er gesagt?«
    »Er hat Euch mit zehn Jahren vor dem Ertrinken gerettet, und Ihr habt verzichtet, damit er eine Stelle in einer Philosophieschule bekam, die Euch zustand.«
    Neugierig geworden, befahl der Befehlshaber der Stadtwache, man solle ihn freilassen. Er führte ihn in eine Folterkammer. Die Folterbank war zwar leer, doch das ganze blutige Werkzeug war auf den Tischen ausgebreitet.
    Als Daniel Jasomirgott mit dem jungen Mann allein war, befahl er: »Rede, ich höre.«
    Rainerio erklärte: »Als Kind lebte ich in derselben Straße wie Otto Cosmas. Er zog 1274 nach Rom. Ich wurde sein Sekretär und Schreiber. Ein Jahr nach seinem Tod konnte ich dank dem Werk, das ihn viele Jahre lang beschäftigte und das ich an seiner Stelle vollendete, in die Dienste des Laterans eintreten und wurde Gehilfe
einer bedeutenden Persönlichkeit. Während der Ausübung meiner Tätigkeit machte ich allmählich furchtbare Entdeckungen über die Mitglieder der römischen Kurie. Freveltaten, die jede Vorstellungskraft übersteigen.«
    Jasomirgott nickte; überall im Kaiserreich hatte die papstfeindliche Propaganda Rom der schlimmsten vorstellbaren Gräueltaten bezichtigt: Menschenfresserei, Inzest, Sodomie, Teufelsanbetung …
    »Diese Entdeckungen haben mein Leben in Gefahr gebracht«, fuhr Rainerio fort, »und ich musste aus Rom fliehen. Meister Cosmas hatte mir erklärt, dass die einzig mögliche Unterstützung gegen den Papst auf der Seite des Kaisers zu finden sei. Er erzählte mir von Euch in Olmütz, von Eurer fernen Freundschaft. Ihr seid der einzige Mensch, den ich in diesem Teil der Welt kenne. Und ich muss das, was ich in Erfahrung gebracht habe, öffentlich machen. Könnt Ihr mir helfen?«
    Daniel Jasomirgott nickte. Er dachte an seinen alten Freund, an den Kampf um die Vormachtstellung, der zwischen dem Papst und dem Kaiser entbrannt war, einen politischen und spirituellen Wettstreit, der beim geringsten Anlass wieder aufflammte.
    Er sagte: »Komm mit mir.«

II
    N achdem Pater Aba der Flammenhölle von Schloss Mollecravel entkommen war, schlug er die Richtung von Carcassonne ein und nahm dann die Hauptstraße, die nach Béziers führte. Er rechnete aus, dass ihn mindestens dreihundert Meilen vom Kirchenstaat und diesem Erzbistum Ancona trennten, in dem sich jenes mysteriöse Kloster befand. Nicht nur Montmorency war dort zum Zweck seiner moralischen Läuterung aufgenommen worden, auch die junge Concha Hermandad, die in den Verzeichnissen des Waisenhauses für Findelkinder in Toulouse erwähnt worden war, hatte man dorthin gebracht und nun auch noch die in Okzitanien entführten Kinder. Darunter Perrot.
    Aba hatte nie einen Fuß nach Italien gesetzt; alles, was er über Rom wusste, stammte von den Pariser Studenten, in deren Gesellschaft er verkehrt hatte. In ihren Augen war Rom nichts anderes als die »Hure Satans«, der Papst »ein

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