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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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zugenommen, der Assistent von Henrik Rasmussen hatte seitdem jede Woche die Reise von Rom aus angetreten.
    Benedetto studierte die Liste der Bibliothek, in der die Werke notiert waren, in denen Rainerio nachgeschlagen hatte. Darin waren das Datum, aber auch die Uhrzeit der Ausleihe und der Rückgabe der Bände erwähnt: Der Junge behielt die Bücher nie länger als ein paar Stunden.
    Jede Lektüre entsprach einem einzelnen Tag.

    Constanza hatte betont, dass kein Buch oder Dokument die Mauern der Abtei verlassen konnte; Rainerio kam also des Morgens, erledigte seine Nachforschungen und kehrte am Abend nach Rom zurück. Das untermauerte die Aussage der jungen Zapetta, die behauptet hatte, dass ihr Bruder nie verreiste.
    Die detaillierte Lektüre der von Rainerio in Pozzo eingesehenen Werke brachte Benedetto Gui ein großes Stück voran: Er hatte erwartet, dass die Ausleihen mit der Jugend von Heiligen oder mit Anträgen auf Heiligsprechung von Wunderkindern in Zusammenhang stünden. Er dachte, Rainerio müsste schockiert gewesen sein über seine Entdeckung der unerklärlichen Entführungen von Kindern, wie Hauser geschildert hatte.
    Mitnichten.
    Am letzten Sankt-Martins-Tag war Rainerio gekommen, um den Fall des Dorfes Gennano zu untersuchen, wo zwei Jahre zuvor eine Jungfrau erschienen war und den Bewohnern einen Ort gezeigt hatte, an dem sie einen Schatz fanden. Ein sagenhafter Schatz, der dazu diente, die alte Kirche prachtvoll zu restaurieren.
    An Sankt Ludwig beschäftigte ihn der Fall der Quelle von Più; dort spukte ein Dämon, der vor den Augen der Reisenden die Gestalt eines auf der Oberfläche schwimmenden goldenen Kelches annahm. Alle, die ihn erblickten, stürzten sich in das Wasser, um nach dem kostbaren Gegenstand zu greifen, doch in dem Moment, da ihre Finger den Kelch berührten, verwandelte er sich in eine haarige Pfote, die sie gewaltsam packte und mit Haut und Haar in die Tiefe zog. In der Heiligenlegende hieß es, sechs Jahre zuvor hätte ein Mönch dem Zauber dieser dämonischen Hand widerstanden, das Monster aus der Quelle gerissen und es getötet, indem er ein Kreuz vor ihm schwenkte.
    An Sankt Nikolaus befasste sich Rainerio mit dem Fall des Mirakels von Laon. Bei diesem Wunder ging es um eine junge Nonne, die der fleischlichen Sünde mit einem Grundherrn bezichtigt
wurde und zum Scheiterhaufen verurteilt worden war. Am Tag vor ihrer Hinrichtung ergriff die Frau ein Sieb und hielt es unter das Wasser eines Klosterbrunnens, um es zu säubern. Doch gegen alle Wahrscheinlichkeit rann das Wasser nicht durch die Maschen, sondern blieb in den Händen der Nonne. In diesem Augenblick ging ein Unglücklicher vorüber, der an Skrofeln litt. Sie forderte ihn auf, seinen Durst zu löschen, und sowie die Lippen des Kranken benetzt waren, war er geheilt und sein Gesicht war von seinen Fisteln befreit. Dieses Wunder wurde in ganz Laon gefeiert und bewies durch ein Gottesurteil die Unschuld der Nonne.
    Jeder andere als Benedetto Gui hätte aus diesen drei Beispielen nichts weiter herausgelesen als ein Interesse an Wundern und übernatürlichen Geschichten. Gui allerdings wusste, dass diese drei Mirakel nicht bedeutungslos waren und dass schon kurz nach ihrer Verbreitung Einwände gegen ihre Echtheit laut geworden waren. In Gennano konnte die Kirche durch das Wunder im rechten Moment das Vertrauen der Gläubigen zurückgewinnen, die sich immer mehr dem Kaiser zuwandten. Man entdeckte Spuren einer vorgetäuschten Erscheinung der Jungfrau Maria (eine Vorrichtung, die Rauch ausspie, von Menschenhand ausgehobene Gräben …). Der Mönch, der die Quelle in Più von ihrem Teufel befreit hatte, war ein mit Spielschulden überhäufter Augustiner, der mit den Spenden, die nach dem Wunder auf ihn herabregneten, seine Gläubiger zufriedenstellen konnte. Was die Nonne aus Laon anging, die angeklagt war, das Bett eines Adligen geteilt zu haben, so war sie die Enkelin eines mächtigen Prälaten in Rom. Das Sieb und der geheilte Bettler wurden nie gefunden …
    Warum interessierte sich Rainerio für falsche Wunder, fragte sich Gui und fand bald eine mögliche Antwort:
    Rainerio weiß, dass Wunderkinder von Männern des Laterans entführt werden. Und er weiß offensichtlich auch, dass die Kirche
immer wieder wie in Gennano falsche Wunder und große Spektakel zur Erbauung der Bevölkerung inszeniert.
    Um neue Anhänger zu gewinnen, war ihr jedes Mittel recht. Scheinwunder könnten im noch größeren Stil durchgeführt werden,

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