Advocatus Diaboli
vergeht kein Tag, an dem er sich nicht nach unserem Befinden erkundigt und uns etwas zu essen bringt. Er hat uns erzählt, was Euch widerfahren ist: die Verhaftung, die Flucht, Euer Laden, der in Flammen aufgegangen ist. Zudem sucht er in regelmäßigen Abständen unser früheres Viertel auf, um zu überprüfen, ob mein Bruder nicht zurückgekehrt ist, was uns sehr beruhigt.«
Benedetto lächelte.
»Das habe ich auch von ihm erwartet, er ist ein braver Junge.«
Zapetta stampfte mit den Füßen auf.
»Was habt Ihr in Erfahrung gebracht? Habt Ihr Rainerios Spur gefunden?«
Bei diesen Worten hob der Vater einen schwermütigen Blick zu Benedetto.
»Ich habe zahlreiche Neuigkeiten über Rainerio entdeckt. Zuerst einmal, er arbeitet für einen hohen Würdenträger der Kurie, Kardinal Rasmussen. Er assistiert ihm bei den Heiligsprechungsverfahren, in denen neue Heilige ernannt werden.«
Zapetta lächelte, als sie hörte, welch angesehene Stellung ihr Bruder innehatte.
»Doch aufgrund dieser Beschäftigung machte Rainerio eine Entdeckung, die ihn offenbar sehr getroffen, ja entsetzt hat. Seine Freunde Tomaso und Marteen, ein weiterer Helfer des Kardinals, versicherten mir beide, dass Rainerio seit einiger Zeit sehr beunruhigt wirkte.«
Zapettas Miene verdüsterte sich.
»Das ist unmöglich«, versetzte sie. »Rainerio war immer in gleichbleibender Stimmung. Im Gegenteil, er freute sich darüber, dass er uns in Kürze eine neue Heimstatt anbieten konnte. Wenn er besorgt gewesen wäre, dann hätte ich es gemerkt!«
Benedetto lächelte.
»Er wollte euch nicht beunruhigen.«
Das Mädchen versteifte sich.
»Und? Hatte er Grund, sich zu fürchten? Wurde er wegen seiner Entdeckungen entführt oder ermordet?«
»Ich vermute, er hatte leider wirklich Gründe, um sein Leben zu fürchten.«
Gui beeilte sich, Zapettas Tränen zuvorzukommen.
»Nichts beweist jedoch, dass er wahrhaftig in Gefahr war«, behauptete er. »Die Wachen, die ihn bei euch abgeholt haben, hat sein Herr geschickt, sie hatten also keinen erkennbaren Grund, ihm Böses zu wollen. Allerdings hat Rainerio in diesem Moment von Rasmussens Tod erfahren. Ich neige zu der Vermutung, dass Rainerio nicht entführt wurde: Ich glaube, dass er geflohen ist.«
»Geflohen?«
»Ja. Er hat wohl erkannt, dass sein Herr wegen der Entdeckung, die sie beide gemacht hatten, getötet wurde. Er dachte, auch er stünde auf der Liste der Mörder. Er hat irgendwo Zuflucht gesucht.«
»Bei wem?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, welche Art von Betrug er aufgedeckt hat: Sobald ich also die Personen identifiziert habe, denen Rainerio so sehr ins Gehege kam, dass sie Rasmussen ermordeten, werde ich daraus ableiten, bei wem er Zuflucht gesucht hat, um ihrer Verfolgung zu entkommen.«
»Möge Gott Euch beistehen!«
»Wenn ich recht habe, Zapetta, dann beabsichtigt Rainerio, so bald wie möglich zurückzukehren, um euch zu holen. Wenn ihr keine Nachrichten von ihm erhalten habt, so liegt das einzig und allein daran, dass er Rom verlassen hat. Ihr dürft die Hoffnung nicht verlieren.«
Benedetto Gui versicherte ihr, dass er sich beeilen werde, jedoch nicht vorhabe, sich lange in der Stadt aufzuhalten.
»Fauvel de Bazan hat bestimmt meine Beschreibung veröffentlicht; viele Menschen kennen mich. Manche von ihnen, Rechtsgelehrte, abgewiesene Klienten oder Kopfgeldjäger, träumen gewiss davon, mich zu erwischen. Verständigt bitte nur Matteo, dass es mir gut geht.«
»Wann sehen wir uns wieder?«
»Sobald ich etwas Neues über Rainerio weiß. Bis dahin bleibt hier, Salvestro Conti ist ein Freund, er wird euch so lange wie nötig beherbergen.«
Der alte Vater stand auf und grüßte ihn wortlos, aber freundschaftlich zum Abschied.
Benedetto wollte unverzüglich der Vorladung Kardinal Mocchas Folge leisten und begab sich zum Lateranpalast, einem gewaltigen Gebäude aus Stein und Holz, halb Palast, halb Kathedrale, das über einer Marmortreppe thronte. Wie immer herrschte auf den Stufen ein unaufhörliches Kommen und Gehen von Richtern, geschäftigen Prälaten, Botschaftern, apostolischen Gesandten, Nuntien
und Internuntien. Ganz zu schweigen vom Aufmarsch der Neugierigen und vom weltlichen Fußvolk, das die Orte der Macht heimsuchte.
Junge Soldaten der Laterangarde bewachten die Treppe.
Sowie Benedetto den ersten Schritt auf die Stufen gesetzt hatte, wurde er von einem Soldaten angeherrscht, der ihm Vorhaltungen wegen seiner Kapuze machte: Selbst die Mönche waren
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