Advocatus Diaboli
wiegt sich vielleicht in dem Glauben, der Konvent von Meggido werde ihn überleben. Sein Werk sei zerstört, aber nicht tot. Er möge wissen, dass Benedetto Gui auch Arthuis de Beaune und die hochrangigen Gelehrten aufgespürt hat, die das Kloster vor dessen Zerstörung verlassen haben. Zu dieser Stunde sind sie bereits an ihrem neuen Zufluchtsort in Korfu festgenommen worden …«
In einem Akt unglaublicher Anstrengung deutete Benedetto Gui ein Lächeln an.
Artemidore de Broca erbleichte.
Fürs Erste hatte Benedetto Gui gewonnen.
III
S echs Monate später war der kleine Laden in der Via dei Giudei dank der Gelder von Aurelias Vater und mit Hilfe der Bewohner des Viertels unverändert wieder aufgebaut worden.
An dem Tag, an dem man Benedetto Guis neu gefertigtes Schild aufhängte, wurde ein Fest gefeiert.
Seine Freunde waren vollzählig versammelt, darunter Salvestro Conti, der das leere neue Haus mit Büchern bestückt hatte. Auch der gestürzte Kardinal Cecchilleli nahm daran teil; durch den Skandal des Konvents von Meggido war sein Name vom Verdacht der Falschmünzerei reingewaschen worden.
Alle freuten sich über Benedetto Guis Rückkehr. Porticcios Jüngste opferte sich und stand dem armen Krüppel Tag und Nacht zur Seite. Matteo und Viola, keiner fehlte.
Eines schönen Tages, als sich Benedetto Gui mit seinem Rollstuhl an seinem Arbeitstisch einrichtete, nahm er verschwommen die Umrisse einer kleinen Gestalt wahr, die auf der anderen Straßenseite draußen wartete.
Er achtete nicht weiter darauf, obwohl die Gestalt sich nicht entfernte.
Schließlich ging die Tür auf, und ein kleiner Junge erschien.
Wortlos blickte er sich um. Er war blond und hatte blaue Augen. Dann blieb sein Blick auf Benedetto ruhen, und er lächelte.
»Danke«, sagte er.
Worauf er auf dem Absatz kehrtmachte, ohne eine Reaktion von Gui abzuwarten.
Dieser verstand nicht.
Plötzlich aber bemerkte er, wie er sein Rechenbrett mit unglaublicher Leichtigkeit ergriff! Zugleich war ihm, als ob er besser sähe. Sein Gesicht gewann seine Mimik zurück, er war nicht mehr auf einem Auge blind … er stand auf!
Er war geheilt.
»Kleiner!«
Es war das erste deutliche Wort, das er seit Monaten von sich gab.
Geheilt!
Benedetto stürzte ins Freie, blieb jedoch unter seinem Schild stehen, als er begriff, wer ihn soeben aufgesucht hatte.
Auf der Straße stießen Passanten erstaunte Schreie aus, als sie sahen, dass er durch ein Wunder von all seinen Behinderungen geheilt war.
Dreißig Schritte weiter entfernte sich der kleine blonde Junge an der Hand einer hochgewachsenen Frau mit langen roten Haaren.
Benedetto wagte nicht mehr, ihnen nachzurufen.
Die zwei rätselhaften Gestalten bogen um die nächste Ecke und verschwanden …
Glossar
ACHÄMENIDEN: Altpersische Dynastie, benannt nach dem Stammvater Achaimeses, der um 700 v. Chr. die Perser in das Gebiet um das spätere Persepolis geführt haben soll.
ABBREVIATOR: Seit dem 13. Jahrhundert Beamter der Apostolischen Kanzlei, der Urkunden und Akten anfertigte. Im Text: Schreiber, der über besondere Kenntnisse der jeweils gängigen Abkürzungen (Abbreviaturen) verfügte.
ADVOCATUS DIABOLI: Auch Promotor fidei genannt. Glaubens- oder Kirchenanwalt, der bei Selig- und Heiligsprechungsverfahren als Gegner des Postulators oder Relator causae alle möglichen Einwände gegen eine Selig- bzw. Heiligsprechung vorbringen muss.
ALBIGENSER: Glaubensbewegung, nach der südfranzösischen Stadt Albi benannt, einer Hochburg der Katharer oder Albigenser, einer im 12. Jahrhundert entstandenen Gemeinschaft, die im Zuge des Albigenserkreuzzugs vernichtet wurde.
ALDEBERT: Fränkischer Bischof in Neustrien, wurde auf Betreiben des Bonifatius 744 auf der Synode zu Soissons als Ketzer verurteilt. Er unterwarf sich nicht dem von der fränkischen Generalsynode von 745 bestätigten Absetzungsurteil und der über ihn verhängten Kirchenbuße, sodass Bonifatius die Hilfe des Papstes Zacharias anrief.
ALMUTIE (auch Almuzia): Seit dem 11. Jahrhundert Kopfbedeckung der Kanoniker im Chor, später meist pelzgefüttertes Schultermäntelchen.
BARBAKANE: Ein dem Tor einer mittelalterlichen Burg oder Stadtmauer vorgelagertes Verteidigungswerk. Die Barbakane stand mit der Ringmauer nicht oder nur teilweise in Verbindung und wurde nicht selten jenseits des Grabens errichtet.
BLIAUD: In Frankreich vom 10. bis ins 13. Jahrhundert von beiden Geschlechtern getragenes, oft besticktes Obergewand mit Ärmeln,
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