Advocatus Diaboli
gewisse Macht selbst über einen Erzbischof verlieh.
Das Gepolter von Fuhrwerken auf den Pflastersteinen drang durch das Fenster ein.
Ein Gefangenenkarren mit vier Pferden, der von bischöflichen Wachen umringt war, überquerte die Zugbrücke, um in den Wagenhof des Schlosses zwischen der Festungsmauer und dem Burgturm einzufahren.
»Befördert man so nicht gewöhnlich die zum Galgen Verurteilten?«, fragte der Bischof, nachdem er einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte. »Hängt das mit unserer Angelegenheit zusammen?«
Até schüttelte den Kopf.
»Wie könnte ein Gefangener uns von Nutzen sein?«
Unten im Hof brach ein Aufruhr los. Frauen schrien, und man hörte, wie sie in wilder Flucht auseinanderstoben.
Kurze Zeit später öffnete sich die Zimmertür, und ein klein gewachsener Mann mit furchtsamen Zügen erschien; er war gekleidet wie ein hoher Herr und trug einen ungepflegten Bart, der einer Halskrause glich. Er warf Perrot einen schnellen und besorgten Blick zu und machte dann eine Kopfbewegung zu Até.
Diese sagte zu den Würdenträgern: »Es ist besser, wenn Ihr hier auf uns wartet.«
Sie blickte den Adligen an: »Das gilt auch für Euch, Montmorency.«
Dann wandte sie sich an alle drei: »Es wird sicher nicht lange dauern.«
Sie ging zu Perrot.
»Folge mir«, sagte sie.
Wieder gehorchte Perrot ihr angstvoll und wortlos, wenn auch mit unverhohlenem Widerwillen.
Gefolgt von zwei Wachen, die gekleidet und bewaffnet waren wie die Männer, die in Cantimpré aufgetaucht waren, stiegen sie eine Wendeltreppe hinab, die in eine Mauer hineingeschlagen war. Durch die zahlreichen länglichen Schlitze der Schießscharten drang die Kälte in den Turm.
Até führte Perrot in einen abgelegenen Teil der Burg auf Höhe des Burggrabens hinab. Hier war es nicht nur eisig kalt und feucht, es herrschte auch Finsternis, die nur von den Fackeln der Wachen zerrissen wurde. Perrot entdeckte Verliese, in denen früher wohl die Verurteilten der herrschaftlichen Gerichtsbarkeit untergebracht worden waren. Die mit Salpeterflecken gesprenkelten Wände, die Zellentüren aus verrostetem Eisen und die lose auf der gestampften Erde liegenden Ketten beeindruckten ihn tief. Er malte sich aus, er würde geschlagen und anschließend allein hier in
der Finsternis liegen gelassen. Seine Beine gaben nach. Até musste ihn am Kragen packen, damit er ihr weiter folgte.
Alle Zellen waren leer.
Bis auf eine.
Perrot erkannte einen Strohstuhl, eine nervöse Nonne dicht neben einer Kerze, die in einer Schale steckte, und einen Mann, der auf einem Lager hingestreckt war. Até befahl den Wachen, die Fackeln auf Ständern zu verteilen, die an den Wänden angebracht waren.
Die düstere Szene erhellte sich.
Das Bett des Mannes war eine einzigartige Konstruktion: Unter der Matratze befand sich eine Metallplatte, auf der Glutstücke verteilt waren. Nur wenige Hospitäler verfügten über diese Art von Bettgestellen, die es ermöglichten, die Kranken trotz eisiger Kälte zu transportieren.
Der Mann keuchte. Halb nackt, wie er war, war seine Hässlichkeit kaum zu ertragen: Sein Körper war eine einzige abstoßende Wunde, zerfressen von Geschwüren und Geschwülsten, die Haut war trocken und schuppig. Fingernägel, Haare und Augenbrauen waren verschwunden. Seine Achselhöhlen waren schwarz, eine geschwollene Drüse am Hals war so groß wie eine Walnussschale.
Die Schwester, die an seinem Bett wachte, war eine Klosterfrau aus dem Orden vom Heiligen Geist, einer Nonnenkongregation, die sich der Krankenpflege verschrieben hatte.
Sowie sie sah, dass Até sich näherte, machte sie ihrer Verärgerung Luft.
»Ich bin die Krankenträgerin des Hospitals von Montauban. Dieser Mann kann jeden Moment sterben. Wozu ihn unter solchen Qualen transportieren? Das ist unwürdig.«
»Wie heißt das Übel, von dem er befallen ist?«, fragte Até, ohne sich um die Vorwürfe der Nonne zu kümmern.
Diese antwortete: »Woher sollen wir das wissen? Pest, heiliges
Feuer, Skrofeln, Lepra, Elephantiasis … Vielleicht alles auf einmal! Kein Arzt konnte eine eindeutige Meinung dazu äußern!«
Até schien das nicht ungern zu vernehmen.
»Hört er, dass wir bei ihm sind?«, fragte sie.
»Nein. Seit acht Tagen hat die Krankheit ihn seiner Sinne beraubt. Und trotzdem lebt er noch. Allein die Pest hätte ihr Opfer bereits in weniger als vier Tagen dahingerafft. Bei ihm ist das nicht der Fall. Dieser Kranke, ein Dieb und obendrein ein Mörder, verkörpert für
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